Montag, 19. Oktober 2015
Der tolle Nachwuchs des Markus Klug
Es war ein großes Turf-Wochenende mit Highlights in Baden-Baden (Sales und Race-Festival) und Ascot am Champions Day. Eine persönliche Nachlese.

Millowitsch: Was wird die Kölner Rennbahn im nächsten Jahr beben, wenn dieses Pferd – benannt nach dem Kölner Volksschauspieler – das Mehl-Mülhens-Rennen gewinnen würde. Noch ist Millowitsch nur ein sehr guter Zweijähriger, der bislang alles richtig gemacht hat und sich am Freitag mit dem Ferdinad-Leisten-Memorial, dem BBAG-Auktionsrennen, eine weitere lukrative Prüfung holte. Noch zeigte er reichlich Unreife, driftete über die halbe Bahn nach links.
„Ich habe das Gefühl, dass Millowitsch die Badener Kursführung nicht mag, denn wenn er in die Zielgerade kommt, und kein Pferd rechts neben sich hat, tendiert er zur Außenseite, das war auch im Zukunftsrennen so“, meinte sein Trainer Markus Klug. Immerhin ist er jetzt Deutschlands gewinnreichster Zweijähriger. Das würde dem Kölner Willi M. auch gefallen.

Dhaba: Bei den Youngstern scheint Markus Klug auch so gut aufgestellt. Dhaba triumphierte am Sonntag in der Winterkönigin und machte dabei nicht nur den Kolumnisten glücklich, der die Stute gewettet hatte. Es war eine beeindruckende Vorstellung: Als Adrie de Vries im Sattel ernst machte, war die Sache gelaufen. Eigentlich, weil die Stewards den Rennvorlauf noch mal überprüften, weil die Stute in die Spur der Zweitplatzierten Serienholde lief. Aber das Ergebnis blieb, die Siegerin zeigte schönen Speed.
„Noch vor vier Monaten hätte ich nicht gedacht, dass Dhaba so etwas gewinnen kann. Dann hat sie sich allerdings prächtig entwickelt. Der weiche Boden kam ihr heute wie zuletzt bei ihrem Sieg im Dortmunder Auktionsrennen entgegen“, sagte Klug nach dem Rennen. Die Kasse für den Winterurlaub sollte gut gefüllt sein.


Winterkönigin 2015: Dhaba (Foto: Rühl/German Racing)

Sam: In der Regel sind besonders die unteren Handicaps in Iffezheim eine knifflige Sache. Eine Menge Pferde, viele davon in guter Form, andere extra für so eine Prüfung aufgespart, der Wetter steht oft vor schwer zu entschlüsselnden Rätseln. Doch Sam machte den Preis der VR Bank Mittelbaden (Agl.IV) am Sonntag zu einer Prozession. Drei Längen Vorsprung waren es am Ende und Jockey Steffi Hofer schien selbst überrascht, wie leicht der Wallach sich löste. Der Kolumnist war hingegen verärgert, weil er Sam quasi übersehen hatte. Dabei stand das Pferd nach allen Formen zum Sieg und rechtfertigte das eindeutig. Vier Starts hatte der Wallach der Besitzertrainerin Sabine Gossens in dieser Saison absolviert, der Formspiegel lautete 2-2-3-2. Die Siegquote von 88:10 war ein Geschenk.

Muharaar: Sprinter, so lautet eine Turf-Weisheit, werden mit dem Alter erst richtig gut. Entsprechend viele ältere Wallache tummeln sich in der Spitzenklasse der ganz schnellen Pferde. Doch keine Regel ohne Ausnahme (und von denen gibt es einige): Der dreijährige Muharaar gewann sein viertes Gruppe 1-Rennen in Folge. Zuletzt musste der Oasis Dream-Sohn zwei Mal kämpfen, doch sein Erfolg am Samstag in den British Champion Sprint Stakes war mal wieder reine Magie. Da konnte der starke Twilight Son noch so viel Speed zeigen, am Ende hatte er zwei Längen Rückstand auf Muharaar. „Er ist das beste Pferd, das ich je trainiert habe“, lobte Charlie Hills, der Trainer des Siegers. Angus Gold, Racing Manager von Besitzer Hamdan Al Maktoum, stellt den Hengst auf eine Stufe mit Sprint-Größen wie Dayjur und Oasis Dream.
Es war der letzte Rennbahn-Auftritt von Muharaar, denn er geht Ende dreijährig in die Zucht. Schade, aber was will er vierjährig auch noch gewinnen. So ist das mit den erfolgreichen Flachpferden. Von wegen, Sprinter werden erst im Alter richtig gut.

Solow: Von einem eventuellen Rücktritt war bei Solow nach seinem Erfolg in den Queen Elizabeth II Stakes beim britischen Meister-Tag keine Rede. Kein Wunder, auf den markanten Schimmel wartet ja keine Deckhengst-Karriere. Fünf Jahre ist der Wallach inzwischen und diese Saison steigerte sich der Schützling von Trainer Freddie Head noch mal gewaltig. Es war der fünfte Gruppe 1-Sieg in Serie und sein französischer Betreuer charakterisiert seinen Schützling schlichtweg als „brillant“. Schade nur, dass der Zweikampf mit Gleneagles nicht richtig stattfand. Aidan O’Brien ließ seinen klassischen Gewinner zwar starten, aber der Boden war leider viel zu weich. So endete Gleneagles im geschlagenen Feld.



Montag, 5. Oktober 2015
Golden Horn, Frankie Dettori und das perfekte Rennen
Natürlich kam es wieder anders als diese Kolumne und andere sogenannte Experten prognostiziert haben: Golden Horn triumphierte im Prix de l’Arc de Triomphe. Nicht die großartige Treve, die damit den Hattrick und damit den Rekord in diesem Mega-Rennen verpasst. Und auch nicht New Bay, die leise Hoffnung des Kolumnisten. Am Ende lieferten Golden Horn und Jockey Frankie Dettori eine famose Vorstellung ab. Nichts war zu spüren von Unreife und einer kräftezehrenden Saison.

Niemand feiert und genießt Triumphe so schön wie Frankie Dettori. Und am gestrigen Sonntagnachmittag nach seinem Arc-Sieg, da war der in Italien geborene Top-Jockey in seinem Element. Er strahlte, die Leute jubelten, der berühmte „Dettori-Jump“ nach einem großen Erfolg fiel noch spektakulärer aus.
Anderen Jockeys wie etwa Ryan Moore sind solche Szenen fast schon peinlich, doch Dettori ist bei den Feierlichkeiten in seinem Element. Er herzt jeden, innige Umarmungen, permanentes Winken ins jubelnde Publikum - selbst nach über 25 Jahren Routine freut sich der Jockey immer noch überschwänglich. Viele Besucher lieben ihn für diese fast kindliche Freude.
Der Arc-Sieg war für den Jockey die Krönung eines außergewöhnlich erfolgreichen Jahres. Es war ein Wahnsinns-Comeback. Denn vor drei Jahren schien die Karriere des Frankie Dettori schon fast am Ende: das Ende der über 20jährigen Zusammenarbeit mit Godolphin, es folgte ein positiver Test auf Kokain. Nach einer halbjährigen Sperre kehrte Dettori 2013 als „alternder Freelancer“ (Guardian) ins harte Jockey-Geschäft zurück.
2015 sind die Schatten der Vergangenheit längst weg. Dettori siegte auf höchster Ebene im englischen Derby, Eclipse Stakes, French Oaks und in den Irish Champion Stakes. Und jetzt eben im Arc – und vier Mal war Golden Horn, trainiert von seinem alten Mentor John Gosden, der Partner.
Es war eine tolle Leistung von Pferd und Reiter. „Die Startbox außen war ein kleines Fragezeichen, aber ich vergaß, wie brillant unser Jockey ist“, erklärte ein glücklicher Besitzer Anthony Oppenheimer nach dem Rennen. In der Tat – Dettori beordnete seinen Partner nach außen, ließ den etwas schwierigen Hengst in Ruhe auf die Beine kommen und positionierte ihn dann quasi hinter den Tempomacher Shahah. Und servierte dem Schützling von Trainer John Gosden damit das perfekte Rennen.

Danke Treve
Als sich Golden Horn vorne überlegen vom Feld löste, war das Rennen quasi entschieden. Der Hengst demonstrierte eindrucksvoll seine ganze Klasse, die ihn zum besten englischen Pferd über Mitteldistanzen gemacht hatte.
Gegen diese Power hatte kein Gegner keine Chance. Nicht Flintshire und New Bay, die beiden Pferde von Besitzer Khaled Abdullah und Trainer Andre Fabre. Beide Kandidaten boten eine starke Leistung: Flintshire wiederholte seinen zweiten Platz aus dem Vorjahr und zeigte, dass er ein Pferd herausragender Klasse ist. Und New Bay bestätigte die Hymnen seines Trainers, der den Hengst vorher in den höchsten Tönen gelobt hatte.
Und Treve? Es sollte nicht sein, Geschichte wurde an diesem Tag nicht geschrieben. Platz 4 wurde es am Ende, es war der letzte Rennbahn-Auftritt einer Weltklasse-Stute. Treve lief ein ordentliches Rennen, wirkte aber zeitweise etwas heftig. Diese Kraft fehlte letztendlich, so blieb es ein Auftritt ohne die Genialität ihrer letzten Arc-Erfolge.
Manche kritisierten nach dem Rennen Jockey Thierry Jarnet, dass er Treve zu spät eingesetzt hätte. Ich teile diese Kritik nicht, denn eigentlich ritt Jarnet die Stute wie immer und setzte auf ihre überragende Fähigkeit zum Beschleunigen. Doch diesmal ging die Rechnung nicht auf: Treve war nicht in der Verfassung ihrer Glanzzeit und Golden Horn an diesem Tag einfach viel zu gut.



Donnerstag, 1. Oktober 2015
Alles Treve oder doch nicht
Für die Buchmacher ist die Sache klar: Treve geht als klare Favoritin in den Prix de l'Arc de Triomphe 2015. Schafft die französische Stute den dritten Erfolg in Serie in diesem Champion-Rennen am Sonntag in Paris-Longchamp? Die Vorzeichen stehen gut, die Quote ist aber entsprechend lausig. Gibt es Alternativen? Starter und Chancen für den Arc 2015.



Im Blickpunkt im Arc: Treve (Foto German Racing/Rühl)

Treve (Trainerin Criquette Head-Maarek): Im Gegensatz zu 2014 kommt die französische Stute diesmal ohne Makel in den Arc 2015. Seit ihrem beeindruckenden Erfolg im letzten Jahr ungeschlagen, gewann drei Rennen ohne große Anstrengungen. Eigentlich passt alles: Distanz, Boden, Form. Und im Gegensatz zu manchem ihrer dreijährigen Kontrahenten ist der Arc 2015 ganz eindeutig der Höhepunkt ihrer Kampagne.

New Bay (Trainer Andre Fabre): Der beste französische Dreijährige, Sieger im Prix du Jockey Club, dem französischen Derby. Zuletzt zeigte er im Prix Niel, dass er auch 2400 Meter kann. Ein Pferd mit viel Speed, in großen Feldern erprobt und zudem trainiert von Trainer-Doyen Andre Fabre, der weiß, wie solche Rennen gewonnen werden. Ein starker Gegner für Treve.

Golden Horn (Trainer John Gosden): Englischer Derbysieger, das beste Pferd in England über längere Distanzen und nachgenannt für den Arc. Die einzige Niederlage seiner Laufbahn gab es in York gegen die Stute Arabian Queen, die diese Form aber in Longchamp gegen Treve nicht bestätigte. Auch zuletzt überzeugte mich Golden Horn nicht völlig, als er die Irish Champion Stakes ziemlich „wackelig“ gewann. Am besten zudem auf guten Boden. Dazu stört mich ein wenig, dass Golden Horn eine ziemlich harte Saison hatte und er diese Strapazen in einem harten Rennen wie dem Arc spüren könnte. Sein Trainer ist aber groß in Form.

Found (Trainer Aidan O’Brien): Top-Stute aus dem mächtigen O’Brien-Stall, als Youngster Gruppe 1-Siegerin in Longchamp und in diesem Jahr mehrfach in Top-Aufgaben knapp gescheitert. Zuletzt gute Zweite in den Irish Champion Stakes in Leopardstown. Aber noch nie über 2400 Meter gestartet. Vom Vater Galileo könnte das Stehvermögen kommen, die Mutter Red Evie war eine hochklassige Stute (Gr.1-Gewinnerin), die aber nur bis 1600 Meter im Einsatz war.

Free Eagle (Trainer Dermot K. Weld): Der Kandidat, den Golden Horn in den Irish Champion Stakes aus dem Rhythmus brachte. Ob er letztlich ohne diese Störung gewonnen hätte, ist Spekulation, jedenfalls ging er vorher sehr gut. Mit vier Jahren immer noch relativ wenig geprüft, Gruppe 1-Sieger über 2000 Meter. Auch für Free Eagle ist es der erste Versuch über 2400 Meter, ich halte ihn nicht für einen Steher.

Flintshire (Trainer Andre Fabre): Fünfjähriger Hengst und schon ein bekanntes Gesicht im Arc. 2014 Zweiter hinter Treve, dreifacher Gruppe 1-Sieger und aktuell gut in Form. Allerdings schon mehrfach hinter der Stute, eine Formumkehr ist schwer vorstellbar.

Erupt (Trainer Francis-Henri Graffard): Erst fünf Starts, ein Aufsteiger aus der französischen Provinz. Sieger im Grand Prix de Paris (Gruppe 1), aber zuletzt sah er Grenzen gegen New Bay.

Tapestry (Trainer Aidan O’Brien): Erst der zweite Start in diesem Jahr, das Comeback als Zweite in The Curragh war in Ordnung. Im letzten Jahr weit geschlagen im Arc, die beste Form war ein Gruppe 1-Sieg in den Yorkshire Oaks in York gegen die sehr gute Taghrooda. Das war damals eine große Überraschung, ein Erfolg im Arc wäre eine ebenso große.

Dolniya (Trainer Alain Royer du Dupré): Hochklassige Stute, aber die letzten Formen reichen nicht.

Prince Gibraltar (Trainer Jean Claude Rouget): Gewinner des Großen Preises von Baden. Das war zwar auch Gruppe 1, aber der Arc ist noch mal eine Stufe höher.

Ein Erfolg von Manatee (Andre Fabre), Silverware (Alain Couétil), Eagle Top (John Gosden), Spiritjim (Alain Couétil), Siljan’s Saga (Jean-Pierre Gauvin), Meleagros (Alain Couétil) oder Frine (Carlos Laffon-Parias) würde zumindest die Buchmacher entzücken, denn diese Pferde sind allesamt große Außenseiter. Shabah (Andre Fabre) soll als Tempomacher für Treve agieren.

Urteil
Mehr ein Rennen zum gucken denn zum wetten. Alles spricht für den Hattrick von Treve, es wäre eine famose Leistung einer grandiosen Stute. Dennoch werde ich eine kleine Wette auf New Bay platzieren, denn ich traue dem Fabre-Schützling weitere Verbesserung zu. Und Golden Horn? Der Boden mag passen, die Klasse ist da, aber zuletzt wirkte der Hengst ziemlich unreif. Und deshalb habe ich Bedenken in einem so harten Rennen wie dem Arc.

Zwei Lesetipps aus dem englischen Guardian: Zum einen über
Treve, zum anderen eine sehr interessante Story über Frankie Dettori.