Trotz allem eine „unglaublich schöne und spannende Zeit“
Der Traum vom Fußball-Profi. Fritz hat ihn bei Hertha BSC geträumt und seine Eltern haben ein Buch darüber geschrieben. „Mama, Papa, ich werde Fußball-Profi“, haben es Ursula Engel und Bernd Ulrich genannt. Beide sind Journalisten – die Mutter arbeitet frei, der Vater ist bei der Wochenzeitung Die Zeit.
Es ist ein steiniger Weg vom hoffnungsvollen Nachwuchsspieler zum Profi. Im aktuellen Kader von Hertha BSC Berlin sind nach dem Verkauf von Nico Schulz nach Mönchengladbach nur zwei Feldspieler aus dem eigenen Nachwuchs: John Anthony Brooks und Änis Ben-Hatira. Einige Spieler aus den Berliner Junioren-Teams kicken bei anderen Profivereinen, die bekanntesten sind wohl Weltmeister Jerome Boateng und der bei Schalke nicht mehr erwünschte Kevin Prince Boateng. Aber die meisten, die im letzten Junioren-Jahr bei den Profiklubs in den Nachwuchs-Bundesliga spielen, schaffen den Sprung nicht.
„Der Vater und ich, wir haben uns nicht gewünscht, dass unser Sohn Fußballprofi wird“, schreibt die Mutter Ursula Engel im Vorwort. Doch der Sohn Fritz ist ein begabter Fußballer, so gut, dass er von seinem kleinen Verein den Sprung zum Bundesligisten Hertha BSC schafft. Und die Eltern begleiten ihn auf diesem Weg.
Es ist ein spannendes Buch: Über den Jugendfußball, über die kleineren Vereine und die dortigen Trainer, über die Eltern, ihre Kameradschaft untereinander, aber auch ihre Konkurrenz untereinander, über die Ausbildung bei einem Bundesliga-Club. Die Eltern sind auch bei Fritz immer dabei, gucken sich jedes Spiel ihres hoffnungsvollen Filius an.
Manchmal hat das Buch auch seine lustigen Stellen. Die Eltern von Fritz zählen zur gehobenen Mittelklasse, bei vielen ihrer Bekannten aus diesem Milieu gelten Fußballer als prollig. Ach, diese Standesdünkel, in Dortmund undenkbar.
Druck
Ab 2008 spielt Fritz bei der Hertha. Da ist er 12 Jahre alt. Die Trainingsbelastung steigt, doch seine Schulnoten verschlechterten sich nicht. „Unser Sohn war der lebende Beweis, dass es möglich war, dieses immer kurioser werdende Schulsystem zu bewältigen und gleichzeitig Leistungssport zu treiben“, schreibt die Mutter. Viele ihrer Bürgertum-Bekannten sind erstaunt.
Auch bei Hertha läuft es für Fritz gut. Obwohl nach jedem Jahr neu gesiebt wird und andere Spieler den Verein verlassen müssen, hält er dem Druck stand und schafft den Sprung in die nächste Altersstufe. Bis ihn eine Verletzung stoppt und der Verein ihn in der U17 wegschickt.
An den besten Stellen ist das ein großartiges Buch, weil es gute Einblicke in die Nachwuchsarbeit eines Profi-Clubs bietet. „Wenn Fritz den Druck nicht aushält, dann wird das eh’ nichts“, sagt ein Hertha-Funktionär zu den Eltern. „Auf Einzelschicksale können wir keine Rücksicht nehmen.“ Die Eltern sind entsetzt.
Auch wenn der Rauswurf weh tat. „Es war eine unglaublich schöne, spannende Zeit, bis eben auf die letzten beiden Jahre, doch selbst da gab es einzigartige Momente, auch die Kameradschaft hörte nicht auf,“ bilanziert der Vater. Weil eben die wenigsten Talente den Sprung in die Bundesliga schaffen.
Urteil:
Sehr interessantes Buch über den Fußball und seine Träume.
Ich wusste, woher ich Fritz kannte. Er war neben seinem Mitspieler Bilal Teil einer sehr interessanten Langzeit-Studie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Frankel, Canford Cliffs, Goldikova – große Duelle des Turfs
Englischer Derbysieger fordert doppelten Guineas-Triumphator heraus: Golden Horn gegen Gleneagles, quasi auf neutraler Distanz über 2000 Meter. Am Mittwoch ist es soweit: Um 16:40 deutscher Zeit treffen die beide auf der Rennbahn noch ungeschlagenen Dreijährigen in York in den Juddmonde International Stakes über etwas mehr als 2000 Meter aufeinander. So ganz stimmt das aber mit dem Unbesiegt-Nimbus nicht, denn Gleneagles wurde ja nach seinem französischen Erfolg im Oktober 2014 disqualifiziert.
Aber egal, es ist ein Zweikampf der Giganten, der unbestritten besten Pferde ihres Jahresgangs auf der britischen Insel. Allerdings gibt es mit The Grey Gatsby und Time Test zwei Kandidaten, die durchaus mitmischen können. Anlass für nurpferdeundfussball an andere interessante Zweikämpfe der (jüngeren) Turf-Geschichte zu erinnern.
Frankel gegen Canford Cliffs, 27. Juli 2011, Sussex Stakes, 1600 m, Gruppe 1, Goodwood
“Duel on the Downs” titelten die englischen Gazetten im Vorfeld. Das dreijährige „Wunderpferd“ Frankel, noch ungeschlagen und unter anderem Sieger in den englischen 2000 Guineas, traf in den Sussex Stakes in Goodwood auf Canford Cliffs, zu diesem Zeitpunkt einer der besten älteren Meiler der Welt. Rio de la Plata und Rajsaman vervollständigten das Starterfeld, doch sie spielten nur eine untergeordnete Rolle. Die Turf-Welt schaute auf die Zwei an der Spitze.
Doch es wurde nicht der große Zweikampf, es wurde die große Frankel-Show. Wie der Cecil-Schützling beschleunigte und sich mühelos von Canford Cliffs löste, das war ganz großes Kino. Am Ende hatten Frankel und Tom Queally fünf Längen Vorsprung auf Canford Cliffs und Richard Hughes. Vergessen war die etwas schlechtere Vorstellung in den St. James’s Palace Stakes, als Frankel nur knapp gewann und Queally für seinen Ritt einige Kritik einstecken musste,
In Goodwood machte der Jockey alles richtig und sein Partner dankte es ihm. „Er ist sehr, sehr gut. Ich denke, er ist der Beste, den ich je gesehen habe“, sprach Frankels Trainer Henry Cecil danach berühmte Worte. Die Trainer-Legende sollte recht behalten: Der Galileo-Sohn imponierte auch als Vierjähriger, blieb ungeschlagen und zählt heute zu den ganz großen Pferden des Turfs. Canford Cliff beendete nach dem zweiten Platz seine erfolgreiche Karriere. Das Rennen
Canford Cliffs gegen Goldikova, 14.Juni 2011, Queen Anne Stakes, 1600 Meter, Gruppe 1, Royal Ascot Canford Cliffs mochte offenbar das königliche Spektakel mit dem Namen Royal Ascot. 2009 gewann er zweijährig überlegen die Coventry Stakes (Gruppe 2), 2010 triumphierte er in den St. James’s Palace Stakes gegen den Stallgefährten Dick Turpin.
Doch ein Jahr später wartete in den Queen Anne Stakes die größte Herausforderung auf den Schützling von Richard Hannon. Goldikova, die herausragende Stute aus Frankreich, wollte ihren Vorjahreserfolg wiederholen, als sie gegen Paco Boy, ebenfalls trainiert von Hannon, knapp siegte. Sechs Jahre alt war die Stute schon 2011, doch sie hatte nichts von ihrer Stärke eingebüßt. Im Sattel saß wie immer der grandiose Olivier Peslier.
Doch an diesem Tag sollte es nicht für Goldikova reichen: Canford Cliffs zog nach einem typisch geduldigen Ritt von Richard Hughes an dem französischen Gast vorbei, siegte mit einer Länge Vorsprung und behielt seinen Ascot-Nimbus.
Canford Cliffs schlägt die große Goldikova
Raven’s Pass gegen Henrythenavigator, 27. September 2008, Queen Elizabeth II Stakes, 1600 Meter, Gruppe 1, Ascot
Es war fast schon ein Turf-Dauerbrenner im Jahre 2008: Fünf Mal trafen Raven’s Pass, trainiert von John Gosden, und Henrythenavigator aus dem mächtigen Ballydoyle-Quartier aufeinander. Beide Pferde waren Meiler der Extraklasse. Das erste Treffen gab es in den englischen 2000 Guineas im Mai in Newmarket: Henrythenavigator siegte knapp gegen den späteren englischen Derbysieger New Approach. Trainer Aidan O’Brien hatte seinen Schützling mal wieder punktgenau auf den großen Moment vorbereitet. Raven’s Pass belegte Platz 4.
Das nächste Duell fand in den St. James’s Palace Stakes in Ascot statt. Wieder hatte der Henry die Nase vorn, eine dreiviertel Länge Vorsprung waren es gegen den stark endenden Raben. Noch enger wurde es in den Sussex Stakes in Goodwood: Doch alle energischen Bemühungen von Jimmy Fortune auf Raven’s Pass nutzten nichts. Johnny Murtagh und Henrythenavigator retteten sich ins Ziel.
Die große Stunde des scheinbar „ewigen Zweiten“ schlug in den Queen Elizabeth II Stakes in Ascot. Diesmal ging Raven’s Pass deutlich besser als der ewige Rivale und siegte mit einer Länge Vorsprung. Und der Gosden-Schützling legte sogar noch einen drauf und triumphierte in Santa Anita in den Breeders Cup Classics. Im geschlagenen Feld landete mit b>Curlin einer der Stars der US-Szene. Und Henrythenavigator? Der wurde wieder Zweiter hinter dem alten Rivalen.
Endlich: Raven’s Pass vor Henrythenavigator in den QE II-Stakes in Ascot.
Kamsin gegen Adlerflug, 7. September 2008, Großen Mercedes-Benz Preis von Baden, Gruppe I, 2400 m
„Das Duell der Derbysieger wird die Fans in Baden-Baden begeistern“, schrieb Galopponline gewohnt euphorisch im Vorfeld. Aber die Konstellation, dass der aktuelle Derbysieger Kamsin auf Adlerflug, den Derbysieger des Vorjahres trifft, war schon eine besondere Attraktion der Großen Woche 2008.
Es war beileibe kein Zwei-Pferde-Rennen, dieser Große Preis: Mit It’s Gino, dem englischen Gast Locarno und dem Derby-Zweiten Ostland rückten weitere gute Pferde in die Boxen ein. Doch am Ende wurde es auf dem weichen Boden ein packendes Duell der Derbysieger: Kamsin besiegte als 43:10-Chance den Toto-Favoriten Adlerflug.
„Wir werden noch viel Spaß mit ihm haben“, meinte Kamsins Trainer Peter Schiergen nach dem Erfolg. Doch im Arc hingen die Trauben zu hoch und auch vierjährig enttäuschte der Derbysieger 2008 meist. Adlerflug lief noch einmal 2009, wurde im Prix Ganay in Longchamp guter Dritter und beendete seine Karriere. Und zumindest als Deckhengst wirkt er erfolgreicher als Kamsin.
Was war denn da los am Samstag im Dortmunder Signal-Iduna Park, dem ehemaligen Westfalenstadion? Nicht nur ich war positiv überrascht: 4:0 schlug Borussia Dortmund den Namensvetter aus Mönchengladbach und bot eine Gala-Vorstellung wie schon lange nicht. Für Neutrainer Thomas Tuchel war es ein Traumeinstand bei seiner Bundesliga-Premiere im schönsten Stadion der Liga.
Dabei hatte die Saison am Freitag mäßig begonnen: Im Free-TV bei der ARD lief Bayern München gegen den Hamburger SV zur Saisonpremiere. Das Spiel war ein ziemlicher Langweiler und machte definitiv keinen Appetit auf die neue Saison. Der HSV präsentierte sich so grottenschlecht wie prophezeit und spätestens nach dem Münchner 2:0 war das Spiel gelaufen. Die Hanseaten ergaben sich quasi ohne Gegenwehr, Bayern hatte leichtes Spiel. Ich habe mir lieber die Rennprogramme für den Samstag in England angeschaut.
Auch sonst waren die Erwartungen vor der Heimpremiere des BVB eher gedämpft. Klopp-Nachfolger Tuchel verdient Geduld. Der Gegner aus Gladbach war ein guter, die Dortmunder Vorbereitung war in Ordnung, aber eine erfolgreiche Vorbereitungsphase sagt noch nichts über eine starke Saison.
Spaß am Spiel
Alles Theorie: Der BVB präsentierte sich ungemein spielfreudig und sorgte für grandiose Stimmung im Stadion. Nach kurzem Abtasten dominierte Dortmund die Borussia vom Niederrhein in allen Belangen. Der BVB kombinierte traumhaft sicher, schoss drei wunderschöne Tore und hätte noch mehr Treffer erzielen können. „Die Auferstehung der Hochgelobten“, betitelte die örtliche Tageszeitung Ruhr Nachrichten ihren Spielbericht und das beschreibt die Leistungen treffend nach der letzten etwas enttäuschenden Spielzeit.
Es war ein Genuss, wie die starken Individualisten Marco Reus, Shinji Kagawa, Henrikh Mkhitaryan und Pierre-Emerick Aubameyang die Gladbacher Defensive durcheinander wirbelten. Reus merkte man an, dass er endlich mal eine verletzungsfreie Vorbereitung hatte. Kagawa spielte so unbeschwert wie bei seinem Einstieg in Dortmund. Mkhitaryan hat mit dem neuen Trainer offenbar den ihn hemmenden Ballast abgebaut und Aubameyang erwies sich nicht nur als schneller Stürmer, sondern auch als ballsicherer Kombinierer.
Aber es waren nicht nur die Individualisten im Angriff, die herausragten. Marcel Schmelzer wirkte selbstbewusst wie schon lange nicht und kann auf einmal flanken. Auch Ilkay Gündogan erinnerte an alte Glanzzeiten und natürlich muss man Neuzugang Julian Weigl erwähnen. Gerade mal 19 Jahre jung ist der Neuzugang von 1860 München und sieht noch aus wie ein U19-Spieler. Doch seine Leistung war die eines Routiniers: ballsicher, zweikampfstark und sehr spielintelligent. Damit hat Weigl auf der Sechser-Position immerhin etablierte Spieler wie Sven Bender oder Neuzugang Gonzalo Castro erst mal verdrängt.
Es war eine regelrechte Lust, das Dortmunder Spiel zu verfolgen. Denn auch nach dem 3:0 zur Pause und dem frühen 4:0 machte der BVB weiter und hätte die armen Gladbacher noch höher abschießen können.
Ein Lob an Jürgen Klopp
Natürlich gab es Unterschiede zum BVB unter Jürgen Klopp. Pressing und Gegenpressing sind zwar immer noch elementar, doch inzwischen wird auch mal „hinten rum gespielt“. Also nicht bedingungslos nach vorne (wobei es unter Klopp auch Varianten gab), das Spiel ist mehr auf Ballbesitz und geduldiges Ballhalten ausgelegt. Am Ende hatte Dortmund 60 Prozent Ballbesitz, gefühlt waren es noch zehn Prozent mehr. Doch die Mischung machte es: Denn im richtigen Moment spielte Schwarz-Gelb explosiv nach vorne.
Tuchel sammelte zudem weitere Pluspunkte, in dem er auf die Arbeit seines Vorgängers hinwies. „Wir hätten hier nicht so gewinnen können, wenn Jürgen nicht super Arbeit geleistet hätte“, sagte er nach dem Spiel im ZDF-Interview. „Wir müssen damit aufräumen, dass unsere jetzigen Leistungen immer gleich Kritik an Jürgen Klopp sind. Das gehört sich nicht.“ Gut gesprochen.