Donnerstag, 15. Januar 2015
Ticketpreise wie bei den Rolling Stones
Manchmal muss es den Geschäftsführer oder Manager einer deutschen Rennbahn doch richtig schütteln. Etwa, wenn er auf die Eintrittspreise englischer Rennbahnen schaut. Denn die nehmen Preise, die ein deutscher Rennbahn-Manager nie durchdrücken könnte. Und die Zuschauer in England zahlen dies auch noch. In Deutschland blieben hingegen die Tribünen leer und es gebe heftige Proteste gegen diesen Bonzensport.

Nehmen wir einmal an, der (in diesem Fall) fiktive Geschäftsführer einer deutschen Rennbahn sieht die Ticketpreise für das Grand National Meeting in Aintree. Da kosten die teuersten Karten für den Princess Royal Roof und den Lord Daresbury Roof am Samstag jeweils 95 Pfund (ca. 123 Euro) – und die sind auch schon ausverkauft.
Wer unbedingt sitzen möchte, dem bleiben „nur“ die Earl of Derby Terrace und die Lord Sefton Terrace (beide 90 Pfund, ca. 116 Euro) oder die etwas günstigeren „West Tip Seats“ für schlappe 72 Pfund oder 93 Euro. Der „normale“ Tattersalls“-Bereich kostet am Tag des durchaus umstrittenen Klassikers 49 Pfund (ca. 63 Euro).
Dafür hat der Besucher keinen Sitzplatz, aber Zugang zum Führring und kann die Rennen auf dem oder der „Mound“ verfolgen, einem aufgeschütteten asphaltierten Hügel. Die Stimmung dort ist famos, wie überhaupt die ganze Atmosphäre toll ist. Dennoch: 63 Euro ohne festen Platz für maximal sieben Rennen sind eine ganze Menge Holz.
Wohlgemerkt: Das sind nur die Kosten für das Betreten des Rennkurses. Wer noch was essen und trinken will, muss zusätzlich kräftig bezahlen. Da kann der Besucher nur auf einen dicken Wett-Treffer hoffen, wenn ihm seine Finanzen wichtig sind.
Nun, merkt unser fiktiver Geschäftsführer aus Deutschland an, sei das Grand National das bekannteste Rennen der Welt und somit einzigartig. Aber andere Top-Veranstaltungen wie das Cheltenham Festival oder Royal Ascot in England nehmen auch diese hohen Ticketpreise.
Das Limit nach oben ist scheinbar unbegrenzt. Doch die Zuschauer bezahlen diese Preise, Cheltenham etwa meldete in den letzten Jahren häufig ausverkauft. Dabei kann der Besucher das Ganze auch viel gemütlicher im TV oder im Internet schauen und sieht dabei viel besser. Unser fiktiver Geschäftsführer wundert sich und träumt davon, dass so etwas auch in der Heimat möglich wäre.
Generell gilt, dass der Besuch einer Rennbahn in England ein kostspieliges Vergnügen ist (siehe Preise York). Es gibt auch billigere Plätze, doch die sind weit vom Ziel entfernt und ermöglichen noch nicht mal den Besuch des Führrings. Gelegentlich gibt es mal leise Proteste gegen die hohen Ticketpreise, doch es ändert sich nicht viel. Freier Eintritt wie auf dem Kurs in Towcester bleibt eine Ausnahme.

Anderer Status
In Deutschland ist die Situation ganz anders. 17 Euro für einen Stehplatz am Hamburger Derbytag, dem wichtigsten Renntag des Jahres, sind eine Ausnahme. Auf den nordrhein-westfälischen Bahnen (zum Beispiel Köln) zahlt der Besucher auch bei Grupperennen weniger als 10 Euro für einen Stehplatz. Oder kommt umsonst hinein.
Sind die Engländer also viel reicher als die Deutschen? Im Gegenteil zu Deutschland hat England die Bankenkrise 2009 wirtschaftlich hart getroffen. Aber es gibt auf der Insel eine ganze Menge reicher Leute, alt- und neureich. Andere belasten ihre Kreditkarte bis zum Limit. Die deutsche Mentalität unterscheidet sich deutlich: „Geiz ist geil“, der einstige Slogan einer Elektrokette, gilt immer noch viel im Land der Discounter Aldi und Lidl.
Hinzu kommen Status der Veranstaltungen und die Bedeutung des Sports. Cheltenham und Aintree sind sportliche Höhepunkte des Jahres. Genügend Leute sind daher bereit, diese Preise zu zahlen. Dazu hat der Rennsport einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland.
Während der Turf hier Randsport ist, hat er auf der Insel zwar auch ein paar Probleme, zählt aber dennoch zu den Top-Sportarten wie Fußball, Rugby oder Kricket. Englische Medien berichten mehr über Pferde als über die Formel 1.
Übrigens: Für mindestens 103 Euro war der Interessent im letzten Jahr bei den Rolling Stones dabei. Und manche Londoner Fußballclubs wie Chelsea oder Arsenal sind auch nicht günstiger. Eine komische Welt, denkt sich da unser fiktiver Geschäftsführer.



Mittwoch, 14. Januar 2015
Lesetipp: Wege aus dem deutschen Turf-Tal
Manchmal denke ich, dass im deutschen Galopprennsport der Tiefpunkt erreicht ist und es wieder ganz leicht aufwärts geht. Zumindest ist das Stimmung im Netz nicht mehr so ganz so deprimierend, besteht die Nachrichtenlage nicht mehr nur aus Hiobsbotschaften. Das mag auch daran liegen, dass die Rennvereine keine Umsatzzahlen mehr nach den Renntagen veröffentlichen und ich nicht mehr so häufig in einem gewissen Forum lese.
Dennoch ist der Text von Tobias Kuske zur Krise im deutschen Galopprennsport lesenswert – auch wenn man über manches inhaltlich streiten kann. Also den Artikel hier lesen und sich selbst eine Meinung bilden. Die Mängelliste wurde übrigens schon in den alten Forums-Zeiten heftig diskutiert.
Der Artikel erscheint zudem in der Zeitschrift Sponsors.



Donnerstag, 8. Januar 2015
Coleman, Williams, Silviniaco und ein persönlicher Sieg
Auch im englischen Hindernissport ist nicht alles Gold was glänzt: Aktuell krankt der Sport an kleinen Starterfelder. Nicht nur im Dezember starteten in vielen Prüfungen nur wenige Pferde. Dennoch war der Weihnachtsmonat reich an Höhepunkten: Zum Beispiel das King George in Kempton oder das Welsh National in Chepstow. Und hier ist sie wieder, unsere subjektive Auswahl derer, die im Dezember in England und Irland positiv auffielen.

Martin Keighley (Trainer): Martin Keighley ist eigentlich ein Kollege. Denn auch er führt einen Blog auf seiner Homepage und aktualisiert diesen sogar regelmäßig. Am Sonntag, den 14. Dezember, spürt der Leser regelrecht den Stolz auf die Ereignisse zwei Tage vorher: „Von wegen, unsere Pferde sind nicht in Form. Cheltenham am Freitag bewies das Gegenteil“, notierte der Trainer. Denn Benbane Head und Any Currency sorgten an diesem Freitag für den ersten Doppelerfolg des Trainers auf der englischen Renommierbahn.
Und das feierten Trainer und Team frenetisch, denn solche Erfolge sind natürlich die beste Werbung für einen Stall, der ansonsten in tieferen Kategorien agiert.
Martin Keighley lernte übrigens sein Handwerk bei der Trainerlegende David Nicholsen, Betreuer unter anderem solch großartiger Pferde wie Viking Flagship und Barton Bank. Nicht nur, dass Keighley auf dessen ehemaligen Gelände in der Nähe von Cheltenham trainiert. Auf seiner Homepage erinnert er zudem noch einmal an den „Duke“.

Aidan Coleman (Jockey): Irgendwie kommt es einem vor, als wenn Aidan Coleman schon ewig im Geschäft ist. Dabei ist der Mann erst 26 (Geburtsjahr 1988) und damit für einen Jockey noch durchaus jung. Seit 2007 reitet der Ire überwiegend für Trainerin Venetia Williams, in den letzten Jahren steigerte er sich von Saison zu Saison.
Auch in diesem Jahr sieht es gut aus und so ein Monat wie der Dezember mit drei Prestige-Erfolgen tut besonders gut. Erst der Erfolg mit dem Spezialisten Any Currency für Trainer Martin Keighley über den Cross-Country-Kurs in Cheltenham, dann folgte am nächsten Tag der Triumph mit Niceonefrankie im Caspar Cavian Gold Cup in Cheltenham. Das war ein exzellent abgestimmter Ritt von der Spitze, als Coleman mit dem Schützling von Venetia Williams das ganze Feld müde galoppierte.
Fast noch besser wurde es Ende Dezember im Welsh National in Chepstow: Emperor’s Choice (Trainerin Venetia Williams) siegte nach einer Energieleistung von Ross und Reiter mit einem kurzen Kopf gegen Benvolio. Und Coleman kassierte einen Klaps des Glückwunsches vom knapp unterlegenen Kollegen Sam Twiston-Davies. Tolle Geste!



Herzschlagfinish nach fast 6 Kilometern auf schwerem Geläuf im Welsh National: Emperor’s Choice siegt mit einem kurzen Kopf vor Benvolio

Venetia Williams (Trainerin): Die letzten beiden Saisons liefen sehr gut für Venetia Williams. Endlich konnte die Trainerin mal wieder ein paar Siege am prestigereichen Wochenende feiern. Auch in diesem Jahr kommen die Pferde so langsam wieder ins Rollen: Im Dezember gab es bereits oben beschriebenen Siege mit Niceonefrankie und Emperor’s Choice, dazu glänzte der starke Houblon Des Obeaux mit Höchstgewicht als Zweiter in einem gutbesetzten Handicap in Ascot gegen den noch lange nicht erfassten The Young Master.
Ihren größter Erfolg verzeichnete Williams aber 2009, als der Riesen-Außenseiter Mon Mome im Grand National triumphierte. Diesen Erfolg bestätigte der Wallach aber leider nie mehr so recht.

Silviniaco Conti (Pferd): Selbstverständlich gehört der Gewinner der King George Chase in diese Kolumne. Denn die Grade 1-Prüfung in Kempton ist wohl das wichtigste Rennen in der ersten Hälfte der englischen Hindernissaison.
Silviniaco Conti, trainiert von Paul Nicholls und geritten von Noel Fehily, wiederholte seinen Erfolg aus dem Vorjahr und lieferte erneut eine tadellose Vorstellung. Schon davor wusste der Dom Alco-Sohn in der Betfair Chase in Haydock zu gefallen, speziell auf weichem Boden zählt der Wallach-Sohn zur absoluten Spitzenklasse. Nur im letzten Cheltenham-Cup enttäuschte er ein wenig, obwohl er als Vierter auch nicht weit geschlagen war.
Aber der flache Kurs in Kempton liegt ihm besser. Silviniaco setzt damit den Erfolgskurs seines Trainers in diesem Rennen fort: Seit 2006 hat Paul Nicholls die King George Chase sieben Mal gewonnen, fünf Mal alleine mit dem unvergessenen Kauto Star.

Bayan (Pferd): Mein persönliches Dank galt in diesem Monat Bayan aus dem irischen Stall von Gordon Elliot. Denn der Wallach gewann als 150:10-Chance die Ladbroke Handicap Hurdle in Ascot und war mein Tipp in diesem Rennen. So und so lief die englische Hindernissaison wettmäßig bislang sehr gut und Bayan war die Krönung des Halbjahres. Dabei war ich erstaunt, wie hoch der irische Gast stand. Denn eigentlich hatte er gute Leistungen aus zwei stark besetzten irischen Handicaps, die letzte Form aber datierte aus einem Flachrennen im September. Doch das war genau der Plan, ein möglichst frisches Pferd nach England zu schicken.