Donnerstag, 20. November 2014
Ein Wiedersehen mit alten Bekannten
Es ist immer noch ein Duell David gegen Goliath, auch wenn der Kleine derzeit in aller Munde ist: Am Samstag gastiert der BVB beim SC Paderborn 07, nur im Gegensatz zu früheren Begegnungen ist es diesmal die erste Mannschaft der Schwarz-Gelben. Für sechs Paderborner ist es ein besonderes Spiel: Sie haben eine Dortmunder Vergangenheit. Uwe Hünemeier und Marvin Ducksch sogar eine sehr lange….

Über elf Jahren ist das jetzt her, aber es kommt einem vor wie aus einer anderer Zeit. Es war der 1. August 2003, im altehrwürdigen Stadion Rote Erde empfing die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund den SC Paderborn 07. Die Gäste aus Ostwestfalen gewannen durch ein spätes Tor von Pavel Dobry glücklich mit 1:0.
Drei Reihen vor mir saß Klaus-Dieter „Pele“ Wollitz, zu diesem Zeitpunkt Trainer des KFC Uerdingen, und machte sich eifrig Notizen. 730 Zuschauer wollten an diesem schönen Sommerabend das Spiel sehen, aus Paderborn bevölkerten vielleicht 100 Fans den Fanblock auf der anderen Seite. Andere Vereine kamen da in der Regionalliga mit ganz anderen Massen. Am Ende der Saison verpasste Paderborn als Tabellendritter um drei Punkte den Aufstieg in die zweite Liga. An die Bundesliga dachte damals niemand, auch „Pele“ Wollitz nicht.
Doch während Wollitz wieder in der Regionalliga trainiert, schaffte der SC Paderborn das Wunder Bundesliga. Und am Samstag kommt es für den David zum nächsten Gipfeltreffen: Der SC Paderborn 07 spielt wieder gegen den BVB, nur diesmal ist es die Bundesliga und die erste Mannschaft der Dortmunder. Die 15 000-Plätze in der Benteler-Arena sind schon lange ausverkauft, für das Duell hätten die Paderborner deutlich mehr Tickets verkaufen können.



Alle freuen sich auf die erste Liga in Padeborn. Auch der Erzbischof, dessen Ballbehandlung aber noch ausbaufähig ist.

Es ist schon ein komisches Spiel: Der Aufsteiger mit dem Mini-Etat ist mit 15 Punkten und Rang 9 bislang die Überraschung der Saison, das mächtige Borussia Dortmund kriselt hingegen auf Platz 15 mit gerade einmal 10 Punkten. Das macht Paderborn natürlich nicht zum Favoriten: Nominell haben die Dortmunder immer noch das deutlich bessere Team mit unzähligen Nationalspielern.
Einige Paderborner Anhänger am Samstag werden am Samstag in ihrem Fandasein ein wenig gespalten sein. Schwarz-Gelb hat viele Anhänger im Paderborner Land, denn früher fuhr man dort nach Dortmund, Schalke oder auch Bielefeld, um hochklassigen Fußball zu sehen. Zudem ist die aktuelle Paderborner Mannschaft eine kleine Dortmunder Filiale. Sechs Spieler des Aufsteigers trugen einst das schwarz-gelbe Dress, allerdings überwiegend in der zweiten Mannschaft der Borussia. „Ehemaligentreffen mit Gegenpressing“, titelte der kicker dann auch. Die Kandidaten im Portrait:

Uwe Hünemeier (2000 bis 2010 in Dortmund): Kam mit 14 Jahren vom FC Gütersloh zum BVB, durchlief die Jugendmannschaften und wurde zu einem Leistungsträger der zweiten Mannschaft. Den Sprung in die erste Mannschaft schaffte der kopfballstarke Innenverteidiger aber nicht, machte nur fünf Bundesligaspiele für Borussia. Das lag auch daran, dass er in der ersten Mannschaft mit Mats Hummels, Neven Subotic und Felipe Santana sehr starke Konkurrenten in der Deckungszentrale hatte. Viel schlechter als diese war Hünemeier eigentlich nie, doch ein wenig fehlte den Dortmunder Verantwortlichen auch das Vertrauen in das Leistungsvermögen des Eigengewächses. 2010 wechselte er nach Energie Cottbus in die 2. Liga, 2013 folgte der Wechsel nach Paderborn. Das war eine hervorragende Entscheidung, denn beim SC imponierte er durch starke Leistungen. Auch in dieser Spielzeit ganz stark, allerdings ist sein Einsatz gegen den BVB wegen einer Bauchmuskelzerrung noch fraglich.

Marvin Ducksch (ausgeliehen vom BVB, seit 2002 bei Borussia): Ur-Dortmunder, kam bereits mit acht Jahren vom BSV Fortuna Dortmund (dessen Platz nicht weit vom Signal-Iduna-Park entfernt liegt) zum BVB und durchlief dort alle Jugendmannschaften. Ein wuchtiger Stürmer, der seinen Talent auch bereits in der 3. Lia eindrucksvoll unter Beweis stellte. Sechs Mal spielte er unter Jürgen Klopp in der Bundesliga, doch der Sprung in die erste Mannschaft des BVB ist natürlich groß. In Paderborn soll er Spielpraxis sammeln, bislang kam der 20jährige meist als Einwechselspieler und traf einmal.

Mario Vrancic (vom 30.1. 2011 bis 30.07. 2012 in Dortmund ): Der Mittelfeldspieler kam von Mainz 05, spielte von Januar 2011 bis Juli 2012 bei BVB 2 und wechselte dann nach Paderborn. Dort wurde er schnell Stammspieler, steigerte sich gewaltig, war im letzten Jahr einer der stärksten Mittelfeldspieler der 2. Liga und zählt auch in der Bundesliga zu den Stützen des Teams.

Marvin Bakalorz (2010 bis 2013 in Dortmund): In Dortmund und Frankfurt schaffte der Sohn des Bundesligaspielers Dirk Bakalorz den Sprung in die Bundesliga nicht. Im Winter 2013 folgte der Wechsel nach Paderborn und dort trumpfte der Mittelfeldspieler sehr stark auf. Auch in dieser Saison häufig in der Startelf, nur in Leverkusen sah er die rote Karte.

Lukas Kruse (2008 – 1/09 in Dortmund): Eigentlich ein Ur-Paderborner, der schon zu Regionalliga-Zeiten beim SC das Tor hütete. Ein halbes Jahr war der Schlussmann beim BVB, saß dort in der Bundesliga dreimal auf der Ersatzbank. Nach einer weiteren Station in Augsburg kehrte er 2010 nach Westfalen zurück und ist die uneingeschränkte Nummer 1 im Paderborner Tor.

Mahir Saglik (2004/2005 in Dortmund): Kommt von GW Paderborn, spielte zwischendurch immer wieder beim SC Paderborn und hat bei unzähligen Vereinen gekickt. Unter anderem auch in der Regionalliga-Saison 2004/2005, wo er in 30 Spielen immerhin zwölf Mal für BVB 2 traf. So richtig schaffte der Stürmer den Sprung in die Bundesliga nicht. Seit Januar 2013 wieder in Paderborn, wo er wichtige Tore zum Aufstieg erzielte. In dieser Saison verletzte er sich vor dem ersten Spiel gegen Mainz, daher erst zwei Kureinsätze.



Montag, 10. November 2014
Der brave Kramer
Ende der Krise? Borussia Dortmund kann in der Bundesliga wieder siegen, schlug Gladbach 1:0 und erinnerte besonders in Halbzeit 1 an große Tage. Nur das goldene Tor war ungewöhnlich.

Es war ein wunderschönes Tor, der Treffer von Christoph Kramer am Sonntag in Dortmund. Der Ball flog hoch durch die Luft und senkte sich über den weit vor dem Gehäuse stehenden Torwart ins Netz – nur dass der Nationalspieler in Diensten von Borussia Mönchengladbach ins eigene Tor traf und damit die 0:1-Niederlage der Gladbacher bei Borussia Dortmund besiegelte. Oder um es etwas abgewandelt mit den Worten des großen Edi Finger zu sagen: Jetzt hat er uns geholfen, der brave Kramer.
Es war ein verrücktes Spiel am Sonntag im Dortmunder Signal-Iduna-Park. Der BVB dominierte das Borussen-Duell gegen Mönchengladbach nach Belieben, spielte besonders in der ersten Hälfte herausragend. Nur das Tor trafen die Schwarz-Gelben nicht: der Pfosten, der starke Gladbacher Torhüter Sommer und oder einfach schlecht gezielt. 13:0-Torschüsse waren es zur Pause (am Ende zählten die Statistiker 22:1) – nur das Runde wollte einfach nicht ins Eckige.
Es passte zur Tabellensituation: Wer in der Tabelle unten steht, dem fehlt das Glück. Dann geht der Ball an den Pfosten, dann hat der Keeper noch einmal die Hand dran. Der BVB war an diesem Sonntag vor dem Spiel Tabellenletzter. Bis dann Christoph Kramer in der 58. Minute kam.
Hinterher waren alle erleichtert, die Schwarz-Gelb im Herz tragen. Borussia Dortmund holte drei wichtige Punkte gegen die starken und lange unbesiegten Gladbacher und präsentierte sich quasi als „stärkster Tabellenletzter aller Zeiten“. Ein Fremder hätte nicht erkannt, wer am Sonntag der Tabellenletzte und wer der Drittplatzierte war.

Eine Serie muss her
Dennoch fällt die Bundesliga-Bilanz von Borussia Dortmund nach fast einem Drittel der Saison niederschmetternd aus. Platz 15 mit nur drei Siegen, einem Unentschieden und bereits sieben Niederlagen ist für eine Mannschaft, die in der Champions League noch ungeschlagen ist, blamabel.
Gerade im September/Oktober brillierte der BVB in der europäischen Königsklasse, bot aber in der heimischen Liga absolute Magerkost. Das Dortmunder Stadion wurde für krisengeschüttelte Klubs zur Wende: Stuttgart holte einen Punkt, der Hamburger SV gewann 1:0, Hannover siegte mit dem gleichen Ergebnis. Dabei waren die Leistungen gegen VfB und HSV katastrophal, gegen die Niedersachsen erarbeiteten sich die Borussen viele Chancen, nur das Tor fehlte.
Woran lag es? Viele Leistungsträger wie Hummels, Subotic, Gündogan oder Reus kommen aus Verletzungspausen, die Neuen wie Immobile, Ramos oder Ginter müssen sich noch an das Klopp-System gewöhnen. Dazu fehlt ein Könner wie Angreifer Robert Lewandowski, der jetzt Bayern München glücklich macht. Zudem haben sich viele Mannschaften besser auf das Dortmunder Spiel eingestellt.
Selbst Trainer Jürgen Klopp wirkte zeitweise ein wenig angeschlagen. Eine Trainerdiskussion gibt es zum Glück in Dortmund nicht. Seit 2008 ist Klopp Übungsleiter des BVB und führte Schwarz-Gelb zu sportlicher Glorie, seine Position ist felsenfest. Mir und vielen anderen hat er die schönsten Jahre ihres Fandaseins geschenkt, an so jemanden kann man nicht zweifeln. Und dass der Trainer die Mannschaft nicht erreicht, diesen Eindruck habe ich überhaupt nicht. Dennoch muss nach der Länderspielpause eine Serie her.
Hoffnung macht die Vergangenheit: In der Ära Klopp waren sehr häufig die Rückserien stärker, weil sich da die Neuen gefunden hatten – zum Beispiel in der Saison 2011/2012, als die Mannschaft grandios auftrumpfte und am Ende Meister und Pokalsieger wurde. Also nachmachen, auch wenn das mit der Meisterschaft in dieser Spielzeit unmöglich erscheint.
Meister wird sowieso der FC Bayern München, für den die Bundesliga nur noch Training ist. Zu leicht fallen den Bayern inzwischen die heimischen Siege. Sie sind einfach zu stark für diese Liga. Das macht die Bundesliga nicht unbedingt attraktiver.



Mittwoch, 29. Oktober 2014
Der gewandelte Andrasch
Das war ein wirklich gelungenes und sehenswertes Portrait, das der NDR letzte Woche über den deutschen Top-Jockey Andrasch Starke ausstrahlte. Vom „Hallodri“ zum verantwortungsvollen Familienvater – Starke kommt sehr ehrlich in diesem Film rüber und wirkt richtig eloquent. Ein Reiter der Extraklasse war er immer, auch in seinen „wilden Zeiten“ als Porsche-Fahrer.

Mein erstes „Starke-Erlebnis“ hatte ich noch in Studentenzeiten, Ende der achtziger Jahre, Anfang der neunziger Jahre. Das genaue Datum weiß ich nicht mehr, aber es war im Winter auf der Sandbahn in Dortmund. Es war schon dunkel und auf dem Programm stand ein Rennquintett-Rennen. Dort lief Fletcher, ein schon etwas älterer Wallach und im Sattel saß ein junger Mann namens A. Starke, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Als die Jockeys aufsaßen, habe ich mir den Reiter mal genauer angeschaut. Der Eindruck: Sehr jung und damit noch reichlich grün.
Doch Starke steuerte Fletcher zum Sieg und wirkte so souverän, als wenn er sein ganzes Leben schon Rennen geritten hätte. Ich gewann über 100 DM, weil ich den Einlauf getroffen hatte und der Name Andrasch Starke war mir danach geläufig. Ein hochtalentierter Mann, den man sich merken sollte.
Starke machte nach seinem Dortmunder Glanzritt bekanntlich große Karriere. Erst bei Bruno Schütz, nach dessen Tod bei seinem Sohn Andreas Schütz und später dann bei Peter Schiergen. Alles Top-Adressen des deutschen Rennsports und eigentlich ist es kaum vorstellbar, dass so ein Hochbegabter durch die erste Rennreiter-Prüfung rasselte.
Natürlich habe mich als Wetter auch schon über manchen Ritt von Herrn Starke aufgeregt. Das ist normal und oftmals ist ein paar Minuten später die Aufregung vorbei. Weil eben nur einer gewinnen kann und auch ein Top-Mann auf einem unterlegenen Pferd keine Wunderdinge vollbringen kann.
Bei Andrasch Starke überwiegen aber ganz klar die positiven Erlebnisse. Nicht umsonst ist der Mann mehrfacher Championjockey. Einer seiner größten Qualitäten ist es, dass er sein Pferd schon frühzeitig in eine gute Position steuert. Am liebsten direkt hinter der Spitze, da ist die Gefahr einer Behinderung geringer.



Der Derby-Erfolg mit Samum: Starke kommt außen. Genauso legendär ist die Reportage von Manfred Chapman.

Während zum Beispiel seine Kollegen Adrie de Vries oder noch extremer Jamie Spencer oder Richard Hughes gerne vom Ende des Feldes kommen, sieht man solche Rennen bei Andrasch Starke weniger. Die Taktik, mit viel Speed das Feld von hinten aufzurollen, sieht viel spektakulärer aus, kann aber auch häufiger in die Hose gehen.
Starke setzt eher auf Sicherheit. Zudem ist er ein hervorragender Finishreiter und im Endkampf nur schwer zu schlagen.

Danedream
Zudem reitet keiner den Derby-Kurs in Hamburg-Horn so gut wie der gebürtige Stader. Sechs Mal gewann er das Deutsche Derby, besonders mit Trainer Andreas Schütz bildete er im wichtigsten Rennen des deutschen Turfkalenders ein perfektes Team. Schütz schaffte es, seine Pferde punktgenau auf diese Prüfung vorzubereiten und Starke war dabei der geniale „Vollstrecker“. Sein letzter Derbyerfolg – der allerdings schon für Trainer Peter Schiergen – mit Lucky Speed demonstriert exemplarisch das Händchen für den Derby-Kurs: Es war ein taktisch perfekter Ritt.
Später folgte dann der Erfolg auf Danedream im Prix d’Arc de Triomphe, der sein internationales Renommee noch mal merklich verbesserte. Dabei haben es deutsche Reiter im Vergleich zur internationalen Jockey-Elite in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal richtig schwer. So gab es vor dem Start im King George 2012 in Ascot wahrlich Leute, die den Jockey Starke als Schwachpunkt identifizierten und lieber einen ausländischen Top-Jockey der Kategorie Dettori oder Peslier im Sattel sehen wollten. Zum Glück wussten Trainer und Besitzer, was sie an ihrem Stalljockey hatten. Das Ergebnis ist bekannt: Danedream triumphierte auch im King George.
Dennoch wäre es eine spannende Angelegenheit gewesen, wenn Starke mal über längere Zeit in England gegen die dortigen Top-Leute geritten wäre. Ich glaube, er hätte sich durchgesetzt, aber dazu gehört auch immer der Faktor Glück.
Jedenfalls ist es schön, dass er nach seiner ernsten Verletzung wieder fit ist und das Comeback erfolgreich war. Denn Jockey sein heißt auch leiden: So ist ein Maximalgewicht von 55 kg bei einer Größe von etwa 1,70 Meter schon eine Tortur. In dieser Sache sind Jockeys bedauernswert, aber es zeugt von enormem Enthusiasmus, dass sich ein Andrasch Starke das immer noch antut. In der Dokumentation sagt er übrigens einen Satz, den finde ich besonders toll: „Ohne die Liebe zum Pferd könnte man diesen Job gar nicht machen.“