Zugegeben, dieses Video ist nichts für Zartbesaitete. „Wir sind schon auf dem Brenner – wir brennen schon darauf“, sang 1990 Barde Udo Jürgens einst mit der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft. So gestählt fuhr das Team von Teamchef Franz Beckenbauer nach Italien und wurde bekanntlich Weltmeister. Und einer dieser Weltmeister hieß Jürgen Klinsmann und der ist auf diesem Dokument die langhaarige blonde Stimmungskanone. Man beachte seinen Einsatz beim Saxophon-Solo, später rockt er gemeinsam mit seinem damaligen Sturmpartner Rudi Völler.
Heute heißt es „Wir gegen uns“, denn Jürgen Klinsmann trifft als Nationaltrainer der USA auf seinem ehemaligen Assistenten und Freund Joachim Löw, bekanntlich Trainer des deutschen Teams und eben Nachfolger dieses Jürgen Klinsmanns. Ich mochte „Klinsi“ immer, weil er seinen eigenen Kopf hatte und Bild und Lothar Matthäus nicht mochte. Da konnten ihn das Springer-Blatt und seine Ableger immer schön in den Senkel stellen, er ignorierte diese Leute einfach. Und „flipperte“ die Bälle weiter rein.
„Auch wir sind dabei – Hollahihollaho“, dichtete der Udo. Und Klinsmann machte in Italien im Achtelfinale gegen die Niederlande das Spiel seines Lebens. Das musste auch Lothar Matthäus zugeben.
Wem diese Seiten derzeit etwas „nackt“ vorkommen, der liegt richtig. Bei Blogger.de, dem Host dieser Seite, gab es einen Festplatten-Crash, dem ein Großteil der Fotos zum Opfer fielen. Diese Fotos sind dort also weg, die meisten meiner Bilder habe ich aber noch auf meiner Festplatte. Wenn ich mal wieder etwas mehr Zeit habe, werde ich das zumindest bei den neueren Texten reparieren.
Es ist bislang eine Weltmeisterschaft der Südamerikaner: Brasilien erwartungsgemäß Gruppensieger, Kolumbien ebenfalls ungeschlagen, Argentinien zwar nicht schön, aber auch siegreich, Chile kickt Spanien raus und natürlich Uruguay. Die „Celeste“ besiegelte das Vorrunden-Aus der europäischen Fußballgrößen England und Italien. Dabei hatten viele die Mannschaft nach der überraschenden Auftakt-Niederlage gegen den späteren Gruppensieger Costa Rica schon abgeschrieben. Doch das Ergebnis spielte danach keine große Rolle mehr.
Erinnerungen an alte Treter-Tage wurden wach. Es war die 79. Minute, da zeigte Italiens Giorgio Chiellini auf einmal seine Schulter. Sie blutete ein wenig. Vorausgegangen war eine Rangelei mit Uruguays Stürmer Luis Suarez. Der hielt sich die Zähne vor angeblichen Schmerzen. Doch das war Show, er war der Übeltäter: Suarez hatte wieder zugebissen wie einst bei Liverpool und Ajax Amsterdam, nur der Schiedsrichter und sein Assistent hatten nichts gesehen.
Der Stürmer ist ein Genie im Strafraum. Seine beiden Tore gegen England zeigten das eindrucksvoll. Die andere Seite des Luis Suarez erinnert an alte südamerikanische „Tugenden“. Wie man gewinnt ist egal, um zu siegen, ist jedes Mittel erlaubt, das den Gegner provoziert und aus dem Rhythmus bringt.
„Suarez braucht Hilfe“,
schrieb der englische
Telegraph. Weil das, was er mache, letztendlich selbstzerstörend sei. Die FIFA wird den Vorfall untersuchen, wahrscheinlich werden sie den Spieler sperren. Damit wird Uruguay ein Akteur fehlen, der den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen kann. Bei der Niederlage gegen Costa Rica fehlte Suarez.
Das
Presseecho war gewaltig, besonders die englische Boulevard-Presse wütete. „Der Vampir kehrt zurück. Drei Bisse und du bist draußen. Diesmal kann es keine zweite Chance geben, keine Vergebung, keine Behauptung, er habe sich geändert“, forderte der
Mirror.
Dagegen fühlten sich die Uruguayer verfolgt und witterten ein Komplott. „Das ist eine Fußball-Weltmeisterschaft, es geht hier nicht um billige Moral“,
entrüstete sich Uruguays Trainer Oscar Tabarez. „. ….Suarez, trotz aller Fehler, die er macht, ist das Ziel gewisser Medien und Zeitungen, die nur auf eine neue Verfehlung von ihm warten. Über seine Fehler wird viel mehr berichtet als über seine sportlichen Leistungen.“
Uruguay gegen Italien in Natal – das war am dritten Vorrundenspieltag der Gruppe D lange Zeit Folter pur für den neutralen Beobachter. Italien reichte ein Unentschieden, die Südamerikaner mussten gewinnen – doch das Team von Oscar Washington Tabarez begann verhalten. Es war ein verbissener Kampf, fast jede Aktion endete mit einem Foul. Chancen blieben Mangelware.
Spätestens nach der unberechtigten Roten Karte für Italiens Marchisio bekam Uruguay Oberwasser, verstärkte die Offensivanstrengungen. Und wurde belohnt: Kurz nach der Beißattacke köpfte Diego Godin zum 1:0-Sieg ein.
Bollwerk
Es gibt einige Mannschaften bei dieser Weltmeisterschaft, die sehr kompakt stehen: die Niederlande zum Beispiel baute gegen Chile ein Bollwerk auf, gegen das kaum ein Durchkommen möglich war. Auch Mexiko stand in den ersten drei Spielen sehr geschlossen.
Aber es gibt kein Team, das dieses kompakte Spiel so beherrscht wie Uruguay. Zum einen, weil man in dieser Besetzung schon sehr lange zusammenspielt, zum anderen unterbindet man immer wieder mit kleinen Fouls und Nickligkeiten den Spieltakt des Gegners. Dazu ist das Team eine Mannschaft – jeder läuft und kämpft für jeden.
Also „klassischer rechter Fußball“, um mal bei Altmeister Cesar Luis Menotti zu bleiben? Siegen um jeden Preis? Ohne Sinn für Ästhetik und Schönheit? Das häßliche Spiel? Nur bedingt – Uruguay 2010 und 2014 ist nicht so schlimm wie Kloppertruppen dieses Landes aus früheren Jahren. Das Team bei der WM 1986 in Mexiko bleibt in Sache Härte unübertroffen. Da galt jede Attacke dem Gegner und nicht dem Ball. Die Mannschaft hatte damals einen Abwehrspieler namens Victor Diogo, der senste alles um, was in seiner Nähe war.
Auch Uruguay 2014 hat mit Caceres, Arevalo Rios, Alvaro Pereira oder Maxi Pereira einige knochenharte Typen dabei. Diego Godin zählt zu den besten Innenverteidigern der Welt, mit Jose Maria Gimenez wächst ein großartiges Talent auf dieser Position heran. Doch vorne hat man mit Edinson Cavani und eben Luis Suarez herausragende Individualisten, die immer ein Spiel entscheiden können. Wenn sie sich denn mal auf das Spiel konzentrieren.
1986 war im Achtelfinale Schluss, der zweimalige Weltmeister Uruguay scheiterte am Erzrivalen und späten Champion Argentinien. Jetzt geht es gegen Kolumbien, einen weiteren Südamerikaner – aber wahrscheinlich ohne Suarez.
Natürlich gucken alle Freunde des Fußballs derzeit auf die kommende WM in Brasilien. Doch wer irgendwann von den Nichtigkeiten aus dem Lager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft genug hat und nach dem vierten müden 1:0/0:0-Spiel ein wenig Abwechslung sucht, dem empfehle ich Ronald Rengs „Spieltage: Die andere Geschichte der Bundesliga". Eines der besten Fußballbücher aller Zeiten, die ich gelesen habe. Also nicht nur ein Tipp für müde WM-Zeiten.
Es gab eine Zeit, da spielte der VfL Bochum in meinem Leben eine durchaus wichtige Rolle. Zu Anfang der siebziger Jahre lebte ich noch im Sauerland, der BVB kickte in den Niederungen der Regionalliga und die sauerländische Dorfjugend teilte sich in Anhänger von Schalke 04 und Bayern München. Ich war schon immer gern anders als die Masse und die Bochumer in ihren blauen Trikots mit den zwei weißen Streifen gefielen mir. So wurde der kleine Revierclub mein Favorit in der Bundesliga. Walitza, Abel, Lameck und Kaczor hießen lange meine Idole. Das brachte mir viel Spott ein, den ich aber gut kontern konnte.
Der VfL war anders als die meisten Bundesliga-Clubs. Geld hatte er nicht, dafür war er eine Insel der Kontinuität. An der Spitze stand Herrenausstatter Ottokar Wüst und eine Trainerstelle in Bochum wirkte wie eine Position auf Lebenszeit – im Gegensatz zu den meisten anderen Clubs, die auch in den 70ern ihre Übungsleiter wahllos heuerten und feuerten.
Dieser Trainer hieß damals Heinz Höher – mit ihm, seinen Stationen und seinen Erlebnissen erzählt Ronald Reng die Geschichte der Bundesliga. Höher spielte beim Bundesligastart 1963 beim damaligen Meidericher SV, trainierte in den 70er und 80er Jahren in der Bundesliga unter anderen den VfL Bochum und den 1.FC Nürnberg und versuchte sich dann später als Berater des von ihm entdeckten Spielers Juri Judt.
Das Ergebnis ist ein fantastisches Sportbuch, mehr als nur eine Chronik der Liga. Es ist ein herausragendes Portrait, das eindrucksvoll die Veränderungen im Laufe der Jahre schildert. Und nicht nur die sportlichen, sondern auch die gesellschaftlichen.
Als Journalisten noch Größen waren
Reng erzählt die Geschichte spannend und temporeich, die Lektüre hat mich vom ersten Moment an regelrecht gefesselt. Der eigentlich sehr verschlossene Höher gibt vieles preis, aber nie entsteht der Eindruck, dass Reng ihn oder andere Protagonisten demaskiert. Gerade die siebziger (wo ich den Fußball entdeckte) und achtziger Jahre wurden wieder lebendig und weckten viele Erinnerungen.
Reng hat nicht nur intensiv mit Heinz Höher und seiner Familie gesprochen, sondern auch mit anderen unzähligen Zeitzeugen. Zum Beispiel in den siebziger Jahren beim VfL Bochum: eine Zeit, in der Trainer wenig mit ihren Spielern redeten, Trinken nach dem Sport verpönt war (außer später in der Kneipe) und Lokalreporter wie Heinz Formann von der Bochumer WAZ noch eine herausragende Bedeutung hatten. Höher ist sehr ehrlich, verklärt nichts und ist stolz auf seine Taktikideen, die in dieser Zeit nur die Experten mitbekamen.
In den achtziger Jahren geht Heinz Höher dann zum 1.FC Nürnberg, ein damals schon kriselnder Traditionsklub. Dort stieg er als Trainer ab, überlebte dann eine Spielerrevolte, entdeckte Talente wie Stefan Reuther, Hans Dorfner oder Dieter Eckstein, stieg mit einer jungen Mannschaft noch in der Saison der Revolte auf und führte den Club in den UEFA-Cup. Doch auch in Franken steht sich Heinz Höher mit seiner Verbissenheit oft im Wege.
In den neunziger Jahren wird die Bundesliga wieder bunt, der Proletarier-Sport Fußball erobert die Mittelklassen. Auf einmal war es angesagt, im Trikot ins Stadion zu gehen. Doch ein alter Fahrensmann wie Höher passt nicht in diese boulevardeske ran-Welt.
Spieltage ist ein gnadenlos ehrliches Buch, das die Schattenseiten der Karriere ohne Filter dokumentiert. Heinz Höher gerät in einer Lebenskrise, keiner will ihn beruflich – doch der Trainer findet einen Strohhalm. Er geht an die Basis, trainiert die D-Junioren der SpVg. Greuther Fürth und eckt dort mit seinen harten Methoden an. Der einstige Fußball-Lehrer kümmert sich um die Karriere von Juri Judt, der es in den Profifußball schafft. Doch irgendwie wirkt Höher in dieser neuen boomenden Fußballwelt wie ein Fremder.
Fazit
Ein großartiges Fußball-Buch: Reng schildert spannend und temporeich die Geschichte des Spielers, Trainers und Managers Heinz Höher in 50 Jahren Bundesliga. Ein eindrucksvolles und ehrliches Portrait des Profifußballs in Deutschland. Neben „Der Traumhüter“ vom gleichen Autoren und Tim Parks „Eine Saison mit Verona“ das beste Fußball-Buch aller Zeiten. Pflichtlektüre!
Das Buch