Mittwoch, 24. November 2010
Talentierte Nachwuchs-Brigade prüft Denman
Die englische Hindernissaison hat Fahrt aufgenommen. Einer der Höhepunkte vor Weihnachten ist der Hennessy Gold Cup in Newbury, obwohl „nur“ eine Handicap Chase Grade 3 über weite 5400 Meter. Aber ein faszinierendes Rennen und die Prüfung, bei dem mir erstmals richtig bewusst wurde, was für ein großartiges Pferd Denman ist. Denn 2007 spielte er unter Höchstgewicht mit den sehr guten Gegnern und gewann ganz leicht. 2009 wiederholte er den Erfolg, 2010 strebt der Nicholls-Schützling den dritten Erfolg an. Das wird aber nicht leicht – nurpferdefussball stellt die wichtigsten Kandidaten des Rennens vor.

Denman: Weil Nicholls-Stalljockey Ruby Walsh verletzt ist, sitzt Sam Thomas wieder im Sattel von Denman. Mit dem Wallach feierte der Jockey seine größten Erfolge, gewann neben dem Hennessy Gold Cup 2007 auch noch den Cheltenham Gold Cup 2008. Der Vorjahressieger strebt seinen dritten Sieg im Hennessy Gold Cup an, bei den Buchmachern ist er Favorit. Ich bin allerdings eher skeptisch: Höchstgewicht, gute Gegner und zudem zeigte Denman nach seiner Verletzung zwar gute Leistungen, aber nicht mehr so herausragend wie in der Saison 2007/2008.
Neptune Collonges: Zweiter Starter aus dem Nicholls-Stall, zeigte schon ganz excellente Formen. Pausierte jedoch die komplette Saison 2009/2010, erst mal abwarten.
Taranis: Ein weiterer Starter aus dem Quartier von Championtrainer Paul Nicholls, hat eine gute Bilanz bei seinen Saisondebüts, gewann zuletzt im Januar 2010 überlegen gegen Carruthers und Madison Du Berlais. Diese stehen diesmal allerdings im Gewicht erheblich günstiger. Eher ein chancenreicher Außenseiter.
Madison Du Berlais: Der Gewinner dieses Rennens 2008, schlug einst einen an diesem Tag indisponierten Denman in Kempton. In der letzten Jahr ziemlich außer Form, sein Trainer David Pipe servierte ihm einen Aufgalopp in Exeter. In Bestform gut möglich, aber er wird auch nicht jünger.
Silver By Nature: einer der Aufsteiger des letzten Jahres, formstark und ein guter Springer, der nicht am mangelnden Stehvermögen scheitern wird. Benötigte aber immer etwas Anlaufzeit, auch wird der Boden nicht schwer genug sein.
Carruthers: Frontrenner, der sein schwaches Saisondebüt mit Sicherheit steigern wird. Dürfte als 7jähriger noch Potenzial zur Verbesserung haben, ich würde ihn aber lieber über eine etwas kürzere Stecke sehen.
Diamond Harry: Top-Hürdler, war einer der Mitfavoriten für die Royal Sun Alliance Chase, eines der Toprennen für die Novice Chaser. Dort allerdings angehalten, weil er zu viele Fehler machte. Und Fehler wird sich Diamond Harry auch in diesem Feld mit vielen guten Springern nicht leisten können. Bei Betfair wäre der Schützling von Nick Williams eine klassische Lay-Wette – aber so etwas mache ich ja nicht.
Weird Al: Noch ungeschlagen (4 von 4) über die schweren Sprünge, die letzte Form auf zu kurzem Weg in Carlisle wurde durch den Mitsieger Little Josh deutlich aufgewertet. Der Wallach steht vor der bisher schwersten Aufgabe seiner Karriere, dennoch brandgefährlich. Zumal die längere Distanz passt und die Pferde von Trainer Ian Williams allesamt derzeit sehr gut laufen.
Burton Point: Zweiter in der RSA Chase während des Cheltenham-Festivals, danach leichter Sieger in Aintree – einer der Top Novice Chaser (ich habe keine Lust, diesen Begriff immer zu übersetzen) des Vorjahres gibt sein Saisondebüt. Siegkandidat – das Einzige, was mich etwas stört, dass in dieser Saison die Pferde von Nicky Henderson meist den ersten Start noch brauchten. In den Vorjahren war das aber bei Burton Point nicht der Fall.
Big Fella Thanks: Von Paul Nicholls zu Trainer Ferdy Murphy gewechselt, unterlag zum Saisondebüt auf schwerem Boden gegen Hey Big Spender, den er jetzt wieder trifft und gegen den er sogar ungünstiger im Gewicht steht. Im Vorfeld durchaus gewettet, die Pferde von Trainer Ferdy Murphy haben auch deutlich an Form gewonnen, allerdings gibt es Kandidaten mit deutlich besseren Aussichten.
Pandorama: Der nächste faszinierende Teilnehmer aus der Nachwuchs-Brigade. Drei Starts über die großen Sprünge, drei Erfolge – zuletzt erfolgreich in zwei Grade 1-Rennen. Dabei schlug er in Leopardstown Weapon’s Anmesty, den späteren Sieger der RSA Chase. Verpasste dann Cheltenham und Punchestown wegen Verletzung, soll aber wieder topfit sein. Erster Start außerhalb Irlands und Jahresdebüt, aber das dürfte nicht nachteilig sein, weil der Schützling von Trainer Noel Meade in den ersten Jahr immer bei seinem ersten Starts erfolgreich war.

Urteil: Ein faszinierendes Rennen. Die Tribüne wird beben, wenn Denman seinen dritten Erfolg in dieser Prestige-Prüfung feiern würde. Er trifft allerdings auf ein erlesenes Feld und besonders die Nachwuchs-Brigade mit Weird Al, Burton Point und Pandorama sollte ein ernster Prüfstein für den Giganten aus dem Nicholls-Stall sein. Mein Tipps sind Weird Al und Pandorama, von den Außenseitern mit höheren Quoten verdienen noch Madison Du Berlais und Taranis Beachtung.

Quoten gibt es unter anderem hier, das vorläufige Starterfeld hier.



Donnerstag, 11. November 2010
Was Kostedde mit Amoroso verbindet
Das Pippi-Langstrumpf-Lied hat derzeit Hochkonjunktur bei den BVB-Fans. „Wer wird deutscher Meister, BVB-Borussia“, tönt es von den Rängen. Verständlich: Borussia Dortmund hat einen überragenden Start hingelegt mit neun Siegen, einem Unentschieden und nur einer Niederlage. Und zudem meist grandiosen Fußball gespielt. Trainer, Mannschaft und Management halten allerdings den Ball flach, das Thema Titel ist tabu. Das ist vernünftig.
Am Freitag kommt mit dem Hamburger SV ein Gegner, der individuell sehr gut besetzt ist, aber als Mannschaft bislang wenig überzeugen konnte. Gegen den „Bundesliga-Dino“ gab es oft spektakuläre Spiele mit Hochspannung. Das zeigt auch unser Rückblick auf drei denkwürdige Duelle mit dem HSV.

Hamburger SV - Borussia Dortmund 3:4 (0:3), 14.08.1976, Bundesliga, 1. Spieltag, Saison 1976/77
Es war ein glanzvolles Comeback von Borussia Dortmund im deutschen Fußball-Oberhaus: 4:3 gewann der Aufsteiger völlig überraschend beim amtierenden Pokalsieger Hamburger SV und sorgte damit für den ersten Paukenschlag der noch jungen Saison. Vier Jahre hatte der BVB in den Niederungen der Regionalliga und 2. Liga verbracht, stand in dieser Zeit fast vor dem finanziellen Ruin, bevor das zur WM 1974 gebaute Westfalenstadion dem Verein neuen Schwung gab. Und jetzt führte Schwarz-Gelb auf einmal 3:0 zur Pause beim ambitionierten HSV: Hartl hatte den BVB bereits nach 4 Minuten in Front gebracht, der unvergessene „Pit“ Geyer (Markenzeichen: sein permanenter Blick auf den Boden, kicker-Note 1 an diesem Tag) erhöhte auf 2:0 (29.) und Kostedde gelang sogar das 3:0 nach 38 Minuten. Die 50 000 Zuschauer, so fern sie HSV-Fans waren, trauten ihren Augen nicht. Der freche Neuling hatte das Starensemble der Hanseaten quasi überrollt.
Nach dem Wechsel wurde es doch noch spannend: Steffenhagen (53.) und Reimann (58.) brachten die Gastgeber , doch dieser Nachmittag war auch der Tag des Erwin Kostedde: Der Mittelstürmer, der später im Leben viel Pech hatte, markierte das 4:2. Die Gastgeber kamen zwar durch einen Handelfmeter von Volkert (74.) noch einmal heran, doch mit Glück und Geschick verteidigte Borussia den knappen Vorsprung. Auch das Rückspiel war im übrigen hochspannend: 4:4 trennten sich die Konkurrenten.
In der Schlusstabelle belegte der Aufsteiger einen guten achten Rang. Die Strategie von Trainer Otto Rehhagel, auf Routiniers wie „Ente“ Willi Lippens und Erwin Kostedde zu setzen, zahlte sich aus – auch wenn die Nörgler-Fraktion im Westfalenstadion oft über den etwas bewegungsarmen Kostedde motzte. Die Hamburger enttäuschten damals in der Liga, holten aber den Europapokal der Pokalsieger in die Hansestadt. Und sie hatten mit Dr. Peter Krohn einen Präsidenten, der in Sachen Vermarktung und Show seiner Zeit weit voraus war. Unter anderem steckte er die HSV-Kicker in rosa Trikots.



Gruppenbild mit Löwe: Der Kader des BVB in der Saison 1976/77

Borussia Dortmund – Hamburger SV 2:0 (2:09, 17.06.1995, Bundesliga, 34. Spieltag, Saison 1994/1995
Die Saison 1994/1995 endete mit einem echten Herzschlagfinale: Vor dem 34. Spieltag lag Werder Bremen mit 48-18 Punkten auf Platz 1, auf Rang 2 folgte Borussia Dortmund mit 47-19 Punkten (die 3-Punkte-Regel gab es noch nicht) und schlechterem Torverhältnis. Der BVB war also auf Schützenhilfe des FC Bayern München angewiesen, der am letzten Spieltag zuhause gegen Werder spielten. Zum ersten Mal in meinem Leben drückte ich den (ansonsten verhassten) Bayern die Daumen.
Dortmund hatte die wesentlich leichtere Aufgabe, empfing den Hamburger SV, der in dieser Spielzeit höchstens Mittelmaß verkörperte. Im ausverkauften Westfalenstadion war das Spiel schnell entschieden: Möller brachte den BVB früh nach 8 Minuten in Front, (natürlich) Lars Ricken beruhigte mit seinem 2:0 nach 28 Minuten endgültig die schwarz-gelbe Anhängerschaft. Das Spiel war gelaufen, zu souverän wirkte der BVB, zu schwach der HSV.
Viel spannender war es hingegen in München: Dort hatte Christian Ziege mit seinem frühen 1:0 für die Bayern schnell für einen weiteren Adrenalinstoß in Dortmund gesorgt. Doch Werder glich durch Mario Basler nach 39 Minuten aus, doch Alexander Zickler sorgte mit dem 2:1 zwei Minuten später für den alten Abstand.
In Halbzeit 2 schaute alles noch gebannter auf das Geschehen ins Olympiastadion, in Dortmund passierte auf dem Feld nicht mehr viel. Leute mit Radio waren gefragt an diesem Nachmittag, Bayern musste einige bange Minuten überstehen. Ausgerechnet Alexander Zickler, der später so viel verletzt war, erwarb an diesem Nachmittag dauerhafte BVB-Sympathie. Sein 3:1 entschied die Partie in München, Borussia Dortmund war nach 32 Jahren wieder Deutscher Meister.

Hamburger SV – Borussia Dortmund 3:4 (1:2), 27.04.2002, Bundesliga, 33. Spieltag, Saison 2002/03
Marcio Amoroso war eine der größten Diven, die jemals das Dortmunder Trikot getragen haben. Für die Wahnsinnssumme von 50 Millionen DM war der Brasilianer 2001 gekommen, sein Abgang zwei Jahre später war absolut filmreif. Doch zumindest in seiner ersten Spielzeit überzeugte Amoroso mit 18 Toren in 31 Spielen. Eine seiner besten Leistungen zeigte er am vorletzten Spieltag beim 4:3-Erfolg in Hamburg, als er zwei Tore selbst erzielte und den Treffer von Rosicky vorbereitete. Von Minute 36 bis zur Pause wurde es richtig aufregend: HSV-Abwehrspieler Hertzsch foult Amoroso und sieht Rot wegen einer Notbremse, Amoroso trifft zur BVB-Führung. Zwei Minuten erhöht der an diesem Tag ebenfalls bärenstarke Tomas Rosicky auf 2:0, doch in der 41. Minute kommt der HSV zurück ins Spiel: BVB-Abwehrrecke Christian Wörns erhält nach einem elfmeterreifen Foul am Ex-Dortmunder Barbarez die gelb-rote Karte, den Strafstoß verwandelt Wicky zum 1:2. Nach der Pause setzt sich bei 10 gegen 10 der offene Schlagabtausch fort: 1:3 (63.) Amoroso; 2:3 (80.) Hoogma; 2:4 (87.) Koller; 3:4 (90.) Meijer. Es war ein packendes Spiel zweier starker Teams. „Die BVB-Individualisten triumphieren über das HSV-Kollektiv“, analysierte der kicker. Für Dortmund war es ein Erfolg mit erfreulichen Folgen: Weil Leverkusen erneut verlor, übernahm der BVB am vorletzten Spieltag die Tabellenspitze. Mit einem 2:0-Erfolg gegen Werder Bremen sicherte sich Borussia die Meisterschaft.
Quellen: fussballdaten.de, kicker sportmagazin



Montag, 8. November 2010
Nur ein kurzer Kopf fehlte dem „Geschenk Gottes“

Finale furioso: Die Breeders' Cup Classic

Man könnte fast Mitleid mit Blame und seinem Team haben: Da gewinnt der Hengst mit dem Breeders’ Cup Classic eines der wichtigsten Rennen des Turfs, seine Besitzer dürfen sich über mehr als 2,6 Millionen Dollar Siegprämie freuen – und fast alle sprachen danach über Zenyatta, die unglückliche Zweite, der nur ein kurzer Kopf am 20. Erfolg in Serie und am zweiten Triumph im Breeders’Cup fehlte. Ihr Jockey Mike E. Smith kämpfte danach mit den Tränen. „Es war meine Schuld. Sie hätte gewinnen müssen und es schmerzt“ gestand ihr ständiger Pilot. Smith, ein „Hall of Fame-Jockey, der auf vielen guten Pferden saß, beschreibt Zenyatta als „die Beste von allen. Ein Geschenk Gottes“.
Es war das übliche Drama. „And Zenyatta is dead last“, sagte Rennkommentator Trevor Denman, einen Spruch, den die Europäer schon aus dem Vorjahr kennen. Wie immer lag die wuchtige Stute, so groß wie ein englischer Steepler, weit zurück, scheinbar hoffnungslos geschlagen – und dann auf der Zielgerade kam der berühmte Turbo. Die Masse tobte, Zenyatta flog heran, kämpfte tapfer – nur diesmal reichte es nicht. Eben jener Blame mit Jockey Garrett Gomez konnte seinen knappen Vorsprung ins Ziel verteidigen. Kleiner Trost: Der Sieger ist ein fantastisches Pferd, mehrfacher Grade 1-Gewinner und einer der besten Vollblüter der USA.
Es war ein grandioses Finale des Breeders’ Cup auf der Rennbahn in Churchill Downs. Dabei begann der Samstag für mich und viele deutsche Zuschauer reichlich bescheiden: Weil Racebets nicht wie am Freitag die exzellenten Bilder des englischen attheraces (ATR) zeigte, sondern meinte, diesmal reichen die Bilder aus Italien mit Breeders’ Cup und Trabrennen aus Bologna und Siracusa. Das ging gar nicht, aber zum Glück gab es den offiziellen Breeders’ Cup Stream aus den USA. Und bei den amerikanischen Kommentatoren war der Name Zenyatta der meistgenannte des ganzen Abends.

Popstar und First Lady
Für Europäer wirkt das etwas befremdlich, aber spätestens als die Stute die Bahn betrat, wird ihr Status deutlich. Zenyatta ist in den USA ein Popstar auf vier Beinen, Kameras begleiteten jeden ihrer Schritte und als sie dann durch einen langen Tunnel in den Führring schritt, wurde es richtig laut – fast so wie im großartigen Westfalenstadion, wenn der BVB ein Tor geschossen hat.
„Die Amerikaner sprechen nur von Zenyatta“, hatten Matt Chapman und John Mc Cririck bereits am Freitag auf ATR geklagt. „Big Mac“, einer der bekanntesten TV-Presenter in England und leicht erkennbar durch sein exzentrisches Outfit, sah so aus, als wenn er nach dem Renntag noch ein paar Enten schießen gehen würde. Aber die beiden hatten schon Recht. Und so stand nicht nur Blame im Schatten von Zenyatta: Auch die grandiose Goldikova, die zum dritten Mal in Folge in der Breeders’ Cup Mile siegte und damit Geschichte schrieb. Und vielleicht gibt es sogar Sieg Nummer Vier 2011. Oder Dangerous Midge, auf dem in Abwesenheit von Arc-Gewinner Workforce Frankie Dettori ein brilliantes Rennen ritt und den Breeders’ Cup Turf gewann. Oder der zweijährige Uncle Mo, der im Stile eines Ausnahmepferdes den Breeders’ Cup Juvenile Dirt für sich entschied. Oder oder oder….
Nur meine Tipps waren Essig. Der Teufel muss mich geritten haben, Proviso gegen Goldikova zu empfehlen. Nur Uncle Mo verhinderte ein völliges Waterloo.