Mittwoch, 13. Oktober 2010
Fußball in Afrika: Miese Schmarotzer und großartige Talente
Die erste Fußball-Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden ist Geschichte. Organisatorisch war Südafrika 2010 ein Erfolg, doch sportlich war die WM für die afrikanischen Teams bis auf Ghana (das unglücklich im Viertelfinale ausschied) erneut ein Desaster. Warum Mannschaften wie Kamerun, Nigeria oder Elfenbeinküste trotz Superstars in ihren Reihen immer wieder scheitern, ist auch ein Thema von „Traumfußball – Geschichten aus Afrika“ von Thilo Thielke. Das Buch erschien bereits vor der WM, aber ich habe es erst jetzt gelesen. Es geht um den Fußball in den Ländern südlich der Sahara – in Nordafrika sind die Spieler weniger spektakulär, dafür die Mannschaften viel erfolgreicher, weil die Organisation besser ist.
Die Schuldigen für die Misere hat der Spiegel-Korrespondent schnell ausgemacht. „Die – gemessen am Potenzial- verblüffende Erfolglosigkeit afrikanischer Nationalmannschaften hängt wohl hauptsächlich mit dem Dilettantismus ihrer Funktionäre zusammen“, analysiert er. Ein Grund dafür sei „die jahrelang sprudelnde Entwicklungshilfe, durch die sich allerorten Schmarotzer breit gemacht haben. Kaum ein europäischer Coach in Afrika, der nicht unter Arroganz und Misswirtschaft der Funktionärsclique zu leiden hatte“.
Dabei werden die europäischen Trainer wenigstens noch fürstlich bezahlt – nur mit der Pünktlichkeit der Zahlung hapert es oft. Dazu kommt die Politik, die sich oftmals bis hin zur Mannschaftsaufstellung einmischt. Eindrucksvoll beschreibt der Autor einen Termin der Nationalmannschaft Kameruns mit ihren (damaligen) Trainer Winfried Schäfer beim Staatspräsidenten Paul Biya. Selten war der Sarkasmus, der im Spiegel-Heft oftmals nervt, so passend wie in diesem Kapitel.

Kicken in Ruinen
Dabei ist der Fußball das „afrikanische Spiel“. Denn „es ist wunderbar einfach, man braucht kein Geld und nur ein paar Jungs mit viel Zeit“. Thielke beschäftigt sich mit den „grass roots“ des Spiels und ging dahin, wo es wirklich gefährlich ist: Nach Somalia etwa, wo die Kids die Waffen ablegen, um zwischen den Ruinen am Strand zu kicken. Oder nach Liberia, Heimat von George Weah, einem der großen Idole des afrikanischen Fußballs. Weah wollte Präsident des Landes werden, der Spiegel-Korrespondent begleitete ihn bei seinem Besuch in der zerstörten Heimat. Das Ergebnis ist eine packende Geschichte, die das Land eindrucksvoll beschreibt und dokumentiert, wie der Fußball die einzige Hoffnung im trostlosen Alltag verkörpert. Überall sieht der Autor eine Fülle talentierter Spieler, das Potenzial an Nachfolgern von Größen wie Okocha, Eto’o, Drogba oder Essien ist immens. Nur Hoffnung auf Besserung gibt es wenig. „Es gibt haufenweise tolle Spieler. Aber sie killen sich selbst. Der afrikanische Fußball zerstört sich selbst“, sagt Csaba László, ein ungarischer Trainer, der unter anderem das Nationalteam Ugandas trainierte. Dazu passt auch die Mentalität der meisten Länder, in der Zwischentöne nicht existieren und Kontinuität ein Fremdwort ist. „Es gibt nur Sieger und Verlierer. Friss oder Stirb“, weiß László.

Fazit: Ein höchst empfehlenswertes Werk mit vielen eindrucksvollen Fotos. Nur die Geschichte von den Geistern, Ahnen und dunklen Mächten hat mich nicht so beeindruckt. Aber dieses Thema gehört wohl dazu, um den afrikanischen Fußball zu verstehen.

Thilo Thielke, Traumfussball – Geschichten aus Afrika, Verlag die Werkstatt, ISBN 978-3 89533-641-6. Gibt es hier oder hier oder natürlich in Ihrer Buchhandlung vor Ort.



Montag, 11. Oktober 2010
Velka 2010: Nächster Triumph für Legende Vana


Wieder „Veteran“ Josef Vana, wieder der neunjäjrige Wallach Tiumen: Das Erfolgsteam aus dem letzten Jahr gewann auch 2010 die 210. Velka Pardubicka über weite 6 900 Meter auf der Rennbahn in Pardubice (Tschechien). Für den 57jährigen Vana war es der siebte Erfolg als Jockey und der achte als Trainer in dem Jagdrennen, das als zweitschwerstes Hindernisrennen der Welt nach dem Grand National in Aintree gilt.
Diesmal musste das siegreiche Team allerdings zittern: Denn Besitzer und Trainer des Zweitplatzierten Amant Gris legten Protest wegen Behinderung ein, die Stewards sahen eine solche allerdings nicht. Ursprünglich wollte das Gestüt Albertovec, Besitzer von Amant Gris, vor das Renngericht des JCKK in Prag ziehen, diesen Plan aber wieder verworfen.
Amant Gris scheint zu einer tragischen Figur der Prüfung zu werden: 2008 war der Schimmel als Erster im Ziel, wurde aber disqualifiziert, weil er den falschen Kurs genommen hat. In diesem Jahr unterlag der 12 jährige Wallach nur mit einer Nase.
12 der 19 Starter kamen ins Ziel.



Mittwoch, 6. Oktober 2010
Dream Ahead, Hooray, Cityscape – drei für 2011
Der Herbst ist im Galopprennsport oft eine Zeit der Träume – besonders bei den Besitzern von hoffnungsvollen zweijährigen Pferden. Die 1000 und 2000 Guineas, die Klassiker im nächsten Frühjahr, sind das große Ziel. Zwei talentierte Youngster gab es am letzten Freitag im englischen Newmarket zu sehen, dazu einen wenig geprüften vierjährigen Hengst, der noch einiges an Reserven haben dürfte. Meine Drei für das Notizbuch.

Dream Ahead, Shadwell Middle Park Stakes (Group 1) – Es war eine Demonstration. Natürlich sind Formen auf weichen Boden gerade bei Zweijährigen mit Vorsicht zu genießen, aber wie Dream Ahead beschleunigte und das achtköpfige Feld mit neun Längen distanzierte, das sah schon nach Rennpferd aus. Mit Strong Suit und Temple Meads (der allerdings völlig aus dem Rennen fiel), dürfte er zwei sehr gute Pferde des Jahrgangs geschlagen haben.
Es war bereits der zweite Gruppe 1-Erfolg für den noch ungeschlagenen Hengst, nachdem er bereits im Darley Prix Morny in Deauville erfolgreich war. „Ich bin sicher, dass er auch über die Meile kommt“, verriet sein Trainer David Simcock hinterher im Racing UK-Interview.
Wahrscheinlich wird Dream Ahead noch mal in den Dewhurst Stakes in Newmarket, dem wohl wichtigsten Zweijährigenrennen auf der Insel, laufen. Dort könnte es dann zu einem Duell mit Frankel kommen, einem anderen Youngster, der derzeit für Schlagzeilen sorgt.
Auch für Simcock war es der zweite Erfolg auf höchster Ebene. 2004 begann er mit zehn Pferden und es ging Jahr für Jahr aufwärts. So richtig etablierte sich Simcock mit dem Erfolg von Darley Sun im 2009er Cesarewitsch, einem dieser englischen Megahandicaps.

Hooray, Adnams Cheveley Park Stakes (Fillies, Group 1) – Bereits im August hatte Hooray mit ähnlicher Taktik in York gewonnen. Start-Ziel von der Spitze aus, immer wieder zulegend, alle Attacken abwehrend – das sah schon damals gut aus. Diesmal wählte Jockey Seb Sanders die gleiche Taktik – und es wirkte noch besser. Denn während Hooray immer wieder neue Reserven offenbarte, sendeten ihre Gegnerinnen frühzeitig Notsignale auf dem weichen Boden. Ein Pferd des Cheveley Park Studs triumphierte in den Cheveley Park Stakes – die Besitzer dürften mehr als erfreut gewesen sein. „Ich war vorher sehr besorgt wegen des Regens“, meinte ihr Trainer Sir Mark Prescott nach dem Rennen. Doch auch ein erfahrener Trainerfuchs wie Sir Mark kann sich mal irren. Skeptisch ist er hingegen, ob die Stute das Stehvermögen für die Meile in den 1000 Guineas besitzt. „Ich glaube nicht, dass sie über die Distanz kommt“, sagt er und hofft, dass er vielleicht doch falsch liegt.
Seit 1970 trainiert Prescott Rennpferde in Newmarket und ist wahrscheinlich der einzige „toff“, mit dem sich der eher linksliberale Guardian anfreunden kann. Der Trainer gilt als jemand, der seine Pferde meisterhaft in den Handicaps placieren kann. Wenn man sich seinen Schnitt Starts/Siege anschaut, dann zeigt das Qualität: In den letzten zehn Jahren lag dieser Schnitt fast immer über 20 Prozent, in diesem Jahr liegt er bei sensationellen 27 Prozent (56 Siege, 210 Starts, Stand 6.10). In Deutschland dürfte besonders Albanova bekannt sein. Mit der Stute gewann Prescott 2004 drei Gruppe 1-Prüfungen, unter anderem den Preis von Europa in Köln.

Cityscape, Nayef Joel Stakes (Group 3)
Es war zwar „nur“ ein Gruppe 3-Rennen, aber auch hier machte der Ton die Musik. Der vierjährige Hengst Cityscape siegte wie ein Pferd, das noch einiges im Tank haben dürfte. Zumal die Gegner so schlecht nicht waren. Sieben Längen Vorsprung hatte der Schützling von Trainer Roger Charlton vor Penitent und Fair Trade. Steve Drowne im Sattel des Siegers hätte den Richterspruch noch durchaus deutlicher gestalten können, so viel hatte er noch in der Hand.
Der Selkirk-Sohn hatte im Quartier von Trainer Charlton schon immer einen hohen Stellenwert. 2008 war er zweijähriger Zweiter in den Juddmonte Royal Lodge Stakes (Gr.2) hinter dem auch in Deutschland gut bekannten Jukebox Jury. Doch nachdem er in den englischen 2000 Guineas 2010 im geschlagenen Feld endete, musste er den Rest der Saison verletzt pausieren.
In diesem Jahr folgte dann das Comeback: Nach zwei Placierungen siegte er zuletzt in Haydock. Im nächsten Jahr könnte Cityscape besonders auf weichem Boden in den Gruppe 1-Prüfungen über die Meile eine gute Rolle spielen.