Der Spiegel hat sich mit dem deutschen Turf beschäftigt, das Ergebnis überrascht nicht: Die Lage ist schlecht. Es kann also nur besser werden? Der Kolumnist ist da anderer Meinung. So lange es zumindest so weitergeht.
Der gute alte
Spiegel hat sich dem Galopprennsport gewidmet. Wer den Artikel noch nicht kennt, kann ihn
hier abrufen. Der Text kostet allerdings 39 Cent, diese Investition sollte man sich aber gönnen.
82 Prozent weniger Totalisator-Umsatz seit 2000 und auch sonst sieht es düster aus: Der Artikel von Autor Jesko zu Dohna läuft unter dem Titel „Der Niedergang des deutschen Galopprennsports“ und beschreibt mit vielen Fakten die Misere im deutschen Turf. Sehr gut geschrieben und allein deshalb schon empfehlenswert, weil das Nachrichtenmagazin sich den Zynismus erspart, der ansonsten das Blatt manchmal unlesbar macht. Jedenfalls: Kein Vergleich mit der unsäglichen Reportage des NDR im Frühjahr, die nur auf Krawall gebürstet war.
Der
Journalist war beim Hamburger Derbymeeting, bei der Großen Woche in Iffezheim und der Bad Harzburger Rennwoche und hat unter anderem Eugen Andreas Wahler, den Vorsitzenden des Hamburger Rennclubs, begleitet. Der Text ist eine gute Bestandsaufnahme, Strategien aus der Krise nennt er natürlich nicht. Aber das erwartet auch niemand vom Autoren und
Spiegel. Zumal es diese eine Strategie auch nicht gibt – aber dazu später.
Als ich den Text las, stellte sich fast automatisch die Frage, wann die Krise des deutschen Turfs eigentlich begann? Die goldenen Zeiten, das müssen die achtziger Jahre und die frühen neunziger Jahren gewesen sein. Jedes Jahr notierten die Verantwortlichen stolz neue Umsatz-Rekordergebnisse, der Zocker wettete brav in den deutschen Toto.
Der Kolumnist erinnert sich durchaus daran. Auch an die Besucher auf den NRW-Bahnen, die zweimal im Jahr nach Baden-Baden zu den Meetings fuhren und auch das Hamburger Derby-Meeting regelmäßig frequentierten. Der Kolumnist kannte einige Zeitgenossen, deren jährliche Urlaubs- und Zeitplanung nur auf die Meetings-Termine ausgerichtet war. Diese Klientel ist heute schon aus Altersgründen nicht mehr groß.
Kölner Verwalter der Misere
Die Realität sieht anders aus: Eigentlich gibt es seit gefühlt ewigen Zeiten fast nur schlechte Nachrichten aus dem deutschen Turf.
Seit Mitte der neunziger Jahre bin ich im Internet, Ende der neunziger Jahre startete das erste Galopper-Forum von Maike Hanneck auf ihren Turfkönig-Seiten. Schon damals lieferte sich die Turf-Gemeinde heftige Diskussionen über die Krise im deutschen Turf und was man besser machen könnte. Mehrere Foren danach und auch später bei Facebook wurde und (wird) oft geschimpft und kritisiert, Änderungen gab es höchstens punktuell. Das Ergebnis ist eher mau, der Abwärtstrend ging unaufhörlich weiter. Viele der früheren Diskutanten haben resigniert, manche haben sich andere Hobbies zugelegt.
Natürlich wurden dicke Fehler gemacht. Das Direktorium als oberstes Gremium hat mit verschiedenen Verantwortlichen einiges vermasselt – Bildrechte, Internet etc… Die sogenannte Struktur-Reform entpuppte sich als größte Leerformel der letzten Dekade. Eine Strategie sucht der Beobachter vergebens, in Köln wird die aktuelle Misere einfach verwaltet und ausgesessen. Auch die vor einigen Jahren gegründete Dachorganisation German Racing - eigentlich eine positive Sache - wirkt inzwischen ziemlich ausgebremst. Ohne die französische PMU-Beteiligung würde es noch düsterer aussehen.
Nun stellt sich jetzt die Frage, ob es die eine Erfolgsstrategie überhaupt gibt? Auch die Turfwelt hat sich dramatisch verändert. Schon die Zahl der Kommunikationskanäle ist viel größer geworden, früher erreichte man die Masse noch über TV und Print-Presse. Heute nicht mehr: Internet und später Smartphones haben die Welt einfacher, aber auch zugleich komplizierter gemacht.
Die Bahnen wie hier in Dortmund an Himmelfahrt sind oft gut besucht, aber gewettet wird wenig. Zumindest nicht in den Bahn-Toto (Bild uk)
Einer These im Spiegel-Text widerspreche ich aber: Die Besucherzahlen auf deutschen Bahnen sind nicht gesunken. Manche Kurse wie Hannover oder Köln – wobei Köln an Großkampftagen wie Union-Rennen oder Preis von Europa immer gut gefüllt war – ziehen an manchen Renntagen viele Zuschauer an.
Aber die Leute kommen mehrheitlich nicht zum Wetten – Autogramme der örtlichen Fußballer zum Beispiel sind mehr gefragt. Oder man genießt einfach einen netten Renntag mit der Familie auf der Bahn, guckt sich dabei ein paar Pferde an, riskiert vielleicht mal eine kleine Platzwette und ärgert sich im schlechtesten Fall, dass die Schlangen an den Verpflegungsständen so lang sind.
C-Promis führen zwar zu Notizen bei
RTL, Gala oder
Bunte, aber den Umsatz steigern sie leider nicht. Und die Großwetter? Die wetten nicht in den deutschen Totalisator, weil die Quoten zu schlecht sind. Die Wetter haben heute dank des Internets Alternativen – ein Samstag in England macht einfach viel mehr Spaß als ein normaler deutscher Turf-Sonntag. Weil allein schon die Präsentation der Rennen von der Insel viel professioneller ist.
Wer also von diese Kolumne die Erfolgsstrategie für den deutschen Turf erwartet hat, mag enttäuscht sein. Ich habe sie nicht – aber solange an den wichtigen Stellen nur gebremst wird, versinkt dieser schöne Sport immer mehr in der Bedeutungslosigkeit. Bis er irgendwann von der Bildfläche verschwindet.