Torhüter und Linksaußen sind anders, lautet eine alte Fußballer-Weisheit. Beide sind Außenseiter im Team – beim Torwart verwundert dies nicht. Unterscheidet er sich doch schon farblich von seinen Kollegen und ist der einzige, der den Ball in die Hand nehmen darf. „Outsider“ hat der englische Autor Jonathan Wilson dann auch seine Geschichte des Torhüters genannt. Das Ergebnis ist eine spannende Studie zur Entwicklung des letzten Mannes.
Sonntagnachmittag, ein Spiel der Bezirksliga Westfalen Gruppe 8 zwischen Eintracht Dortmund und dem FC Nordkirchen aus dem Münsterland. Die Bezirksliga ist eine Spielklasse im Amateurfußball voller ambitionierter Spieler, die alle gut trainiert sind. Nur der Torhüter des FC Nordkirchen fiel ein wenig aus dem Rahmen: Denn er wirkte unter all den schlanken Spielern wie ein Fremdkörper, sein großer Bauch spannte gewaltig unter dem Trikot. Doch die Leibesfülle hinderte den Schlussmann nicht an guter Leistung: Er machte einen sehr sicheren Eindruck, bei zwei Schüssen zeigte er hervorragende Reflexe. Und der Mann ist immerhin Stammtorhüter und keine Aushilfe aus dem Alte Herren-Team.
Torhüter sind eben anders: Auch William Foulke war kein schlanker Mann, am Ende seiner Karriere soll er bei einer Größe von 1,93 Metern satte 178 Kilogramm gewogen haben. Kein Wunder, dass man ihn „Fatty“ nannte. Doch „Fatty“ Foulke (
geboren 1874) war einer der herausragenden Torhüter in den Anfangsjahren des englischen Profifußballs, spielte für Sheffield United und später für Chelsea.
„Foulke war vielleicht nicht sonderlich beweglich, dafür aber mit scharfen Reflexen und gewaltiger Kraft gesegnet“, schreibt Jonathan Wilson. Außerdem sei er ein „charismatischer Exzentriker“ gewesen. „Die Zuschauer liebten ihn wegen seiner Unberechenbarkeit und weil er ihnen das Gefühl vermittelte, dass er Fußball nicht allzu große Bedeutung beimaß.“
Jaschin, Grosics, Banks
Es sind diese Geschichten, die Outsider so lesenswert machen. Wilson hat intensiv recherchiert – von den Anfängen mit „Fatty“ Foulke und anderen englischen Torhüterlegenden über den großen Lew Jaschin und andere bekannte Goalies der Frühzeit.
Schon früh gab es Veränderungen im Spiel des letzten Mannes. Der mitspielende Torhüter taucht auf – Wilson beschreibt ausführlich Gyula Grosics, den ungarischen Torhüter aus dem WM-Finale 1954, und Rene Higuita, Kolumbiens berühmten Exzentriker.
Der Mitteleuropäer staunt, dass der beste Torhüter der Welt einst aus England kam. Gordon Banks hieß der gute Mann, stand im Finale 1966 gegen Deutschland im Tor. Der Kolumnist aber kann sich eher seine Nachfolger Ray Clemence und Peter Shilton erinnern. Das waren gute Schlussleute, später wurde es im englischen National-Gehäuse immer schlechter.
Natürlich fehlen Südamerika und Afrika nicht. „Sündenböcke und Fliegenfänger“ nennt Wilson sein Kapitel über Torhüter in Brasilien, in Afrika stehen die Schlussleute aus Kamerun im Focus.
Ein wenig schwächer wird es im aktuellen Bereich und auch die deutsche Torhütergeschichte geht in dem Kapitel Giganten etwas unter. Das hätte sich der Kolumnist etwas ausführlicher gewünscht, dennoch geht der Daumen hoch: Ein sehr empfehlenswertes Werk.
Jonathan Wilson, Outsider: Eine Geschichte der Torhüter