Mittwoch, 21. August 2013
Werder in den Wechseljahren
Keine Ahnung, wie viele Spiele des SV Werder Bremen in Dortmund ich seit 1975 gesehen habe. 25, 30? Komischerweise ist kein Gastspiel der Hanseaten irgendwie länger im Gedächtnis geblieben, obwohl der SV Werder doch häufig spektakulären Fußball bot. Zwar sicherte sich der BVB durch einen Heimsieg gegen Werder Bremen 2002 die Meisterschaft, aber bleibende Spuren hinterließ dies nicht.
Aus schwarzgelber Sicht spielt natürlich das erfolgreiche Pokalfinale 1989 in Berlin eine große Rolle, weil es nach langer Durststrecke der erste Titel war. Zudem fallen mir kleine Anekdoten ein: Etwa, dass Bremens Defensiv-Kultfigur Dieter Eilts früher oft nur Dortmunds Mittelfeldmotor Andy Möller zu Spielbeginn einmal foulte und ihn danach böse anschaute, schon war es mit der Herrlichkeit des Dortmunders vorbei.
Ohne den BVB erinnere ich mich an grandiose Abende im Europapokal, an denen Werder hohe Niederlagen aus dem Hinspiel in einem begeisternden Rückspiel noch drehte. 1986 etwa gegen Spartak Moskau (siehe Video) oder 1988 gegen Dynamo Berlin. Da flippten die sonst ruhigen Norddeutschen richtig aus.



Magie des Europapokals: Werder dreht das Spiel gegen Spartak Moskau

Es gab Zeiten, da war Werder Bremen der „Lieblings-Zweitklub“ vieler Fans. Ich zählte zu diesen – auch weil Werder trotz völlig anderer Voraussetzungen oftmals den mächtigen FC Bayern ärgerte. Die Münchner nahmen den Gegner ernst: „Volksverhetzer“ beschimpfte Bayern-Manager Uli Hoeneß seinen damaligen Bremer Kollegen Willi Lemke. Beide verband eine ausgeprägte Abneigung. Auch politisch: SPD-Mann Lemke gegen den CSU-Anhänger (und Strauß-Bewunderer) Hoeneß.
Noch etwas unterschied die Bremer von vielen Mitbewerbern: Sie setzten auf Kontinuität, wechseln nicht bei jede Krise ihren Kapitän. So bildeten Otto Rehhagel (Trainer) und Willi Lemke (Manager) jahrelang ein erfolgreiches Gespann, ähnlich war es bei Thomas Schaaf und Klaus Allofs. Der Erfolg gab ihnen Recht.

Aktuelle Lage
Am Samstag verabschiedeten die Bremer Anhänger noch einmal mit einer großen Choreografie Thomas Schaaf. 14 Jahre war er Trainer, davor die ganze Profi-Karriere treuer Abwehrspieler der Grün-Weißen. Eigentlich undenkbar, aber die sportliche Talfahrt ließ auch die Verantwortlichen in Bremen handeln. Zumal Manager Klaus Allofs, Schaafs langjähriger kongenialer Partner, schon früher zum Nordrivalen Wolfsburg wechselte.
Robin Dutt und Thomas Eichin sollen es jetzt richten. Der Start verlief erfolgreich nach zwei 1:0-Erfolgen gegen Braunschweig und Augsburg. Da war aber auch eine Riesenportion Glück dabei, zwei „schmutzige“ Erfolge sozusagen.
„Es bleibt ein Rätsel, was der letztjährige Abstiegskandidat zu leisten vermag“, schreibt der kicker. „Es bleiben Fragezeichen, wie sich das Format Werder ausnimmt.“
Immerhin hat das einstige Sorgenkind Mehmet Ekici endlich überzeugt. Den hielten viele in Nürnberg damals für noch besser als seinen Freund Ilkay Gündogan. Doch während Gündogan in Dortmund bekanntlich zum großen Antreiber des BVB wurde, enttäuschte Ekici in den bisherigen zwei Jahren bei Werder. Dagegen hat der exzentrische Marko Arnautovic nach diversen Skandalen keine Zukunft mehr in Bremen.

Geschichte
Die ersten Erinnerungen an Werder Bremen hängen unmittelbar mit dem Namen Helmut Poppen zusammen. Der war Reporter bei Radio Bremen, berichtete immer aus dem Weserstadion und hatte eine unglaublich nasale Stimme. Zudem fand ich als Pubertierender den Namen Poppen unheimlich lustig.
Jedenfalls spielte Werder in diesen Zeiten immer gegen den Abstieg, aber solange der Abwehrhaudegen Horst Dieter Höttges den Laden zusammenhielt, blieb der Klub in der Bundesliga. Als dann Höttges seine Laufbahn beendete, stieg Werder prompt ab.
Doch das Jahr in der 2. Liga nutzten die Norddeutschen zum Neustart. Otto Rehhagel kam als Trainer, Werder stieg sofort wieder auf und etablierte sich schnell in der Bundesliga. Es folgten sportlich hoch erfolgreiche Jahre. Das Abstiegsgespenst war verbannt, Werder mischte in der Liga vorne mit.
Rehhagel hatte die sportliche Kompetenz, für wirtschaftliche Dinge war Manager Willi Lemke zuständig. Diese Trennung funktionierte selbst bei solchen Alpha-Typen. Zudem hatte der Trainer ein gutes Gespür bei Neuverpflichtungen. Völler, Meier, Neubarth, Bratseth, Borowka, Burgsmüller oder Herzog sind nur einige Beispiele. Dazu kamen aus dem starken Nachwuchs Leute wie Sauer, Ordenewitz, Eilts oder Schaaf. Zwei Meistertitel, zweimal Pokalsieger, dazu als Sahnehäubchen 1992 den Europapokal der Pokalsieger waren eine eindrucksvolle Bilanz.
Bremens zweite große Phase kam mit Trainer Thomas Schaaf und Manager Klaus Allofs. Diese beiden verstanden sich auch menschlich sehr gut; sportlich hatten sie ihre Neuen ebenfalls gut gewählt. Ob Ailton, Frings, Özil, Micoud, Wiese oder Diego – oftmals schwierige Typen, die aber meist bei Werder ihren Karriere-Höhepunkt erlebten.
Nur zuletzt passte das nicht mehr so mit den Neuverpflichtungen: Carlos Alberto, Silvestre, Arnautovic oder Elia etwa blieben vieles schuldig. Ein Grund für den Absturz des SV Werder.

Die Bundesligabilanz des BVB gegen Werder Bremen.