Allein das Titelbild weckt Erinnerungen an diverse eigene Fußballschlachten. 1992 machte es der
kicker bei seinem Sonderheft auf dem Titel noch sehr schlicht: Roter Hintergrund, große gelbe Schrift, kleine schwarze Schrift. Und ein schlichter schwarz-weißer Ball, bestehend aus diesen berühmten zusammengenähten weißen und schwarzen Fünfecken. Meist war der noch aus richtigem Leder. Wenn es nass war, wurde er richtig schwer; bei jedem Kopfball drohte eine Gehirnerschütterung.
Das kicker-Sonderheft zur Saison 1992/1993: Die berühmte Stecktabelle gab es schon damals und auch sonst machte das Fachblatt vieles, was es heute schon macht. Zum Beispiel brachte es ganzseitige Teamfotos der Mannschaften der 1. und 2. Liga. Aber einiges, was damals modern schien, wirkt jetzt ziemlich amüsant. Und wenn es nur die Frisuren und die bunten Trainingsanzüge sind.
Ausgangslage: Die Bundesliga ging in ihre 30. Saison – und so schlecht waren die Aussichten nicht. „Die Bundesliga boomt, dass sich die Balken biegen“, formulierte Chefredakteur Rainer Holzschuh im Editorial. „Die Zuschauer strömen, die Sponsoren stehen Schlange mit stattlichen Summen, das Fernsehen finanziert feste – eine Freude für den Fußball.“ Gut, ein Zuschauerschnitt von 22 634 Besuchern würde heute belächelt (zum Vergleich: 2012/2013 waren es über 41 000 Zuschauer), aber zu diesem Zeitpunkt war das ein klarer Aufwärtstrend. Zumal viele Stadien wahrlich nicht komfortabel waren, die Zuschauer waren dank Laufbahn meilenweit vom Geschehen. Ältere Leser erinnern sich noch an Wind und Regen, denen sie ungeschützt ausgesetzt waren.
Die Vorsaison 1991/92 endete mit einem Herzschlagfinale, als der VfB Stuttgart sich im letzten Moment die Schale gegen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt sicherte. Es war die erste gesamtdeutsche Saison, die Liga spielte mit 20 Klubs. Doch von den ostdeutschen Vertretern ging Hansa Rostock sofort wieder runter, es blieb nur Dynamo Dresden. In der Bundesliga spielten damals Klubs wie Wattenscheid oder Karlsruhe, dazu kamen als Aufsteiger Bayer Uerdingen und der 1.FC Saarbrücken.
Für den FC Bayern München war die Saison übrigens ein Desaster. Nur Platz 10, ein negatives Punkteverhältnis von 36-40 und im UEFA-Cup das Aus in Runde gegen die Nobodies von B 1903 Kopenhagen – so schlecht waren sie nie wieder.
Noch etwas war neu: Sat 1 hatte erstmals für viel Geld die Bundesliga-Rechte fürs Fernsehen gekauft. Moderator Reinhold Beckmann moderierte in roter Jeansjacke und die Bundesliga war auf einmal eine große, bunte Unterhaltungsshow. Viele Reporter nervten, die Werbung soundso – doch SAT 1 revolutionierte mit ran die Fußball-Berichterstattung.
Inhalt : So viel hat sich da im Vergleich zu heute gar nicht verändert. Kern sind die ganzseitigen Teamfotos plus eine Seite Spielerdaten pro Verein der ersten und zweiten Liga, zudem gibt es für die Klubs aus der Eliteklasse einen meist zweiseitigen Text. Dort spekulieren die Redakteure des Fachmagazins häufig über die Stammelf, dazu werden Chancen und Erwartungen für die neue Spielzeit beschrieben. Dazu geben die Redakteure ihren Tipp ab, wo die Mannschaft landet. Das machen sie heute nicht mehr.
Das Thema Taktik spielt noch nicht die große Rolle – 3-5-2 mit Libero war das dominierende System, Manndeckung war meist angesagt.
Zudem bewerten die Experten Hans-Peter Briegel, Hansi Müller sowie die kicker-Redakteure die Bundesligisten nach Schulnoten. In die Wertung kommen zum Beispiel Kriterien wie Offensivstärke, Taktische Möglichkeiten, Neuzugänge oder Personal gesamt. Die Wertung führte im übrigen Borussia Dortmund mit einer Durchschnittsnote von 1,3.
Stil: Damals gab es wohl noch nicht die Regel, dass man mit Namen keine Wortspiele macht. Der kicker kannte da 1992 bei seinen Überschriften keine Hemmungen. Da hieß es „Der nächste Hammer ohne Sammer“ (über den VfB Stuttgart), „Bei König Otto regiert ein Herzog“ (Werder Bremen), „Vollgas mit Bremser“ (Bayer Uerdingen) oder „Schuster bleibt bei seinen Leisten“ (Bernd Schuster).
Auch sonst war das Zentralorgan des deutschen Fußballs um Wortspiele nie verlegen: „Mehr Kohle für den schwarzen Mann“ (über die Schiedsrichter), „Reuter ist der Renner (über Dortmund) oder „Sturm aus einem GUS“ (über den KSC und seine neuen Stürmer aus Russland).
Es ist eben vieles im typischen kicker-Stil: etwas phrasenhaft, ein wenig bieder, aber immer verlässlich.
Urteil: Solche Hefte sind immer ein schöner Blick in die Vergangenheit. Der Leser amüsiert sich über Frisuren und Mode, wundert sich über manche Dinge, die damals groß in Mode waren. Ein hochinteressantes Dokument der Zeitgeschichte.
Wen es interessiert: So endete die Spielzeit 1992/1993:
Bundesliga,
2. Liga.
Eigentlich wollte ich hier die aktuellen Sonderhefte von kicker und 11 Freunden zur Saison 2013/2014 rezensieren. Aber eigentlich hat sich nicht viel geändert in den letzten Jahren: Der kicker liefert die Daten, die 11 Freunde die interessanten Stories. Und deshalb habe ich in mein Regal gegriffen und obige Perle des deutschen Sportjournalismus heraus befördert.