Es muss irgendwann zu Beginn der neunziger Jahr gewesen sein. Galopprennbahn Mülheim an der Ruhr, irgendein Feiertags-Renntag (Ostern, 1. Mai oder Pfingsten). Jedenfalls war es zu Beginn der grünen Saison, denn es waren viele dreijährige Pferde aus großen Quartieren am Start. Natürlich auch aus dem Champion-Stall von Trainer Heinz Jentzsch – viele potenzielle Hoffnungen, alle selbstverständlich stark gewettet.
Doch an diesem Tag lief nicht viel bei den Pferden von Trainer Jentzsch. Fast alle landeten im geschlagenen Feld, keiner siegte. Als wenn irgendein Virus den Stall heimgesucht hatte, so schwach waren die Leistungen der Vollblüter aus dem sonstigen Erfolgsquartier. Bis zum vorletzten Rennen: Dort kam ein Jentzsch-Pferd an den Start, das eigentlich den damaligen Bodenzustand überhaupt nicht konnte. Doch wie das häufig so ist: Dieses Pferd gewann zu lukrativen Quoten und machte diverse Wetten kaputt.
Was manchem Zocker überhaupt nicht behagte. „Herr Jentzsch, erklären Sie diese Form“, schimpfte einer von ihnen. Der Mann war richtig sauer – und wie das auf Deutschlands Rennbahnen so ist: Es ist alles überschaubar, kein Zaun trennt Aktive und Publikum. Jentzsch, der ungefähr zehn Meter entfernt stand, bekam die Reaktion mit – und schaute den Typen total ungläubig an. Als wollte er sagen: „Ich zocke doch nicht mit meinen Pferden, ich habe es doch gar nicht nötig.“ Und überhaupt: Wie kann jemand überhaupt auf die Idee kommen, dass seine Pferde nicht reell laufen würden?
Realist und Meister
Er war ein großer Trainer von Rennpferden, der Heinz Jentzsch, der am Samstag im Alter von 92 Jahren starb. Der gebürtige Berliner kam 1949 aus Hoppegarten nach Köln, fing ganz beschieden an und brach später wohl jeden Rekord im deutschen Turf. Als ich mich Mitte der achtziger Jahre für den Rennsport begeisterte, war Jentzsch schon längst der Mann mit dem Abonnement auf den Championats-Titel.
Er guckte immer etwas grimmig, der Betreuer von Spitzenpferden wie Acatenango, Lando, Lirung oder Monsun. Und er war ein Mann mit festen Gewohnheiten: In Dortmund stand er im Führring immer an der gleichen Stelle, in Mülheim und Gelsenkirchen ebenfalls. Außerdem erinnert Jentzsch an eine Zeit, in dem es dem deutschen Galopprennsport noch viel besser ging und die Welt offenbar noch in Ordnung war.
„Ich bin kein Pessimist. Ich bin nur Realist unter zu vielen Optimisten, die ihre Pferde notorisch überschätzen“, zitierte Traute König in ihrem wunderbaren Buch „Laufen muss der Bagge“ den Meistertrainer. Und betitelte das ganze Kapitel mit „Der Meister von det Janze.“
Eines der besten Pferde, dass Heinz Jentzsch je trainert hat: Acatenango, hier in einem ZDF-Bericht und in Farben, in denen man nur gewinnen kann. Ab Minute 2:38 äußert sich Jentzsch zu seinem Pferd.