Mittwoch, 18. Mai 2011
Das Geschoss aus Budapest will endlich England rocken
Der schwarzgelbe Meisterrausch ist vorbei und damit ist es an der Zeit, sich mal wieder um den internationalen Galopprennsport zu kümmern, der zuletzt – ich gebe es zu – etwas zu kurz auf diesen Seiten kam. Da trifft es sich gut, dass Overdose am Wochenende in den Betfred.com Temple Stakes (Gr.2, 1000 Meter) im englischen Haydock startet. „The Budapest Bullet“, das Geschoss aus Budapest, ist nach seiner Verletzungspause wieder da, lockte bei seinem Comeback 9000 Besucher auf die Galopprennbahn in Berlin-Hoppegarten. Der Hengst gewann überlegen – und rüstete sich damit für bessere Aufgaben. Vergessen ist die letztjährige Enttäuschung aus der Goldenen Peitsche in Iffezheim, als Overdose völlig kraftlos lief, nur als Siebter ins Ziel kam und damit die erste Niederlage seines Lebens kassierte.


Mit dem "berühmten Finger in der Nase": Overdose distanziert das Feld bei seinem Comeback in Hoppegarten.

Zu diesem Zeitpunkt war Sandor Ribarski, der Overdose bei seinen bisherigen Erfolgen betreute, schon nicht mehr dessen Trainer. Es gab einige Differenzen mit Besitzer Zoltan Mikoczy, der neue Trainer heißt Jozef Rozival und ist ein Bekannter des Schrotthändlers aus der Slowakei. Seit 2009 hat Mikoczy zudem Besitzerkollegen, nachdem er 50 Prozent für 2,5 Millionen Euro an ein ungarisches Firmenkonsortium verkauft hatte. Die Geschichte des Schnäppchens von der Auktion in Newmarket, das vom hässlichen Entlein zum strahlenden Prinzen wurde, ist immer noch faszinierend – so widmete die renommierte deutsche Wochenzeitung die Zeit dem Rennpferd erst in der letzten Woche ein langes und sehr lesenswertes Portrait.

Stolz einer Nation
Politisch sorgt Ungarn derzeit eher für negative Schlagzeilen, da trifft es sich gut, dass der Stolz einer ganzen Nation wieder aktiv ist. Weil Overdose dort offenbar mehr als nur ein erfolgreicher Galopper ist: „Auf dieses Pferd können wir uns einigen“, zitiert die Zeit den ungarischen Moderator Andras Kepes. „Overdose hat es den übermächtigen Deutschen, Engländern und Franzosen gezeigt, entgegen aller Wahrscheinlichkeit. Damit können wir uns identifizieren. Endlich hatten wir wieder etwas, worauf wir stolz sein können.“
Am Samstag wird daher wahrscheinlich ganz Ungarn vor dem Fernseher sitzen und schauen, wie sich ihr Sportler des Jahres 2009 im englischen Haydock aus der Äffäre zieht. Bei den englischen Buchmachern ist Overdose 30:10-Favorit, danach folgt schon mit einigem Abstand Kingsgate Native. Die restlichen Starter stehen schon bei 100 und mehr.
Ich würde Overdose trotzdem nicht zu diesem Kurs wetten. Zwar fehlt in England derzeit der überragende Sprinter, dennoch sind die Gegner nicht zu unterschätzen. Markab, Borderlescott oder Hamish Mc Gonagall sind in vielen Sprintschlachten gestählte Veteranen, Tangerine Trees ein Formpferd aus den unteren Klassen, Sole Power ein gefährlicher irischer Gast und New Planet oder Stone of Folca zwei Dreijährige, deren Leistungsvermögen noch gar nicht erkannt ist.
Zudem sind die Sprints auf der Insel oftmals eine richtige Lotterie. Nirgendwo spielt das Rennglück so eine große Rolle wie auf der Minimaldistanz, wird jeder Jockey-Fehler gnadenlos bestraft oder ist die Position der Startbox von so großer Bedeutung. Es wird also spannend am Samstag um 16 Uhr deutscher Zeit. Schauen wir mal, ob ein Rennpferd eine ganze Nation wieder strahlen lässt. Und danach Royal Ascot nimmt.