Nirgendwo werden Sieger frenetischer gefeiert, nirgendwo sind die Rennen spannender im Galopprennsport: Letzter Tag des
Cheltenham Festivals, Teil 4 im jährlichen März-Wahn. Höhepunkt des vierten Tages ist natürlich der Cheltenham Gold Cup. Und was Kollege
Dave Ord von Sporting Life kann, kann diese Kolumne schon lange: Liveblog aus Cheltenham. Wobei wir im Gegensatz zu Dave nicht vor Ort sind, sondern zuhause vor dem PC sitzen und die Racing UK-Übertragung verfolgen. Was auch ganz lustig ist. Ab
14:10 geht es los.
14:15: Es geht los mit der Triumph Hurdle, 23 Nachwuchs-Hürdler, allesamt noch nicht voll erkannt und das erste Wett-Minenfeld des Tages. Die führenden englischen Trainer sind quantitativ und auch qualitativ stark vertreten: Nicky Henderson sattelt drei Starter, Paul Nicholls auch. Besonders das Henderson-Team hofft auf den heutigen Tag und ist bereits im ersten Rennen mit Grandouet und A Media Luz stark vertreten. Nicholls hält unter anderem mit Sam Winner und Zarkandar dagegen. Interessant aus deutscher Sicht ist Local Hero: Der Lomitas-Sohn aus der Lolli Pop ist ein Halbbruder zum St. Leger-Sieger Liquido.
Gut gewettet wird der irische Gast Unaccompanied. Ich entscheide mich für Smad Place aus dem Alan King-Stall, auch wenn die Strecke etwas kurz sein könnte. Wer einen Aussenseiter möchte: Tim Vaughan, dessen Pferde bislang beim Festival gut in Form liefen, schwärmt von Architrave. "Very fit" sagt der Racing UK-Experte Jonathan Neeson.
14:40: Wenn es ein Jockey verdient hat, endlich sein erstes Rennes in Cheltenham zu gewinnen, dann ist das Daryl Jacob. Am Mittwoch noch knapp gescheitert mit Rock on Ruby, hat er es jetzt endlich geschafft: Zarkandar aus dem Nicholls-Stall triumphiert mit Jacob in der Triumph Hurdle und zeigte großen Speed. Zarkandar ist übrigen ein Bruder der großen Zarkava. Auf den Sieger hätte ich eigentlich kommen können.
Jacob bedankt sich im übrigen nach dem Rennen bei fast jedem, den er kennt. Nirgendwo sind eben die Erfolge schöner als in Cheltenham. Das auffälligste Rennen lief im übrigen Sam Winner. Lange Letzter, stürmte er den Berg quasi hoch und wurde noch Dritter.
14:55: Das nächste „Minenfeld“ folgt: Die Vincent O’Brien Country Hurdle. Ungefährt zehn Pferde habe ich beim ersten Blick angestrichen. Dirar aus dem Stall von Gordon Elliott-Stall ist mein Tipp, verständlich bei der Elliott-Form bislang. Sein anderer Starter Grey Soldier ist der Pricewise-Tipp der Racing Post. Zudem habe ich noch Ski Sunday auf meine Liste – auch weil ein ganzer Ort mit dem Wallach mifiebert.
Und ich versuche es noch mal Get me out of here – in diesem Jahr noch völlig außer Form, aber nach Bestform durchaus möglich. Skis Sunday Trainerin Lawney Hill will im übrigen mit Diet-Coke feiern.
15:15: Walsh oder Mc Coy – auf den letzten Metern hat er es geschafft, der Ruby Walsh mit Final Approach gegen meine Wette Get me out of here mit Tony Mc Coy. Und damit zahlte sich das Gamble auf Get me out of here leider nicht aus. Meine anderen Tipps liefen nicht schlecht, aber es war ein echtes Drama. Fantastischer Stoff und das irische Kontingent darf wieder feiern…
15:20: Siegreiter Ruby Walsh gerade im Interview mit Stuart Machin. "Good stuff" ist das einzige, was ich beim Akzent von Walsh verstehe. Trainer Willie Mullins dachte, sein Pferd wäre im Fotofinish geschlagen. "Er ist wirklich ein professionelles Rennpferd", so Mullins.
15:30: Wird es endlich der erste Sieg für Trainer Nicky Henderson beim diesjährigen Festival? Seine Pferde laufen ja nicht schlecht, aber das letzte Glück fehlt. Jetzt sattelt er den Favoriten Bobs Worth in der Albert Bartlett Novices Hurdle über lange drei Meilen. Ich halte mit Kilcrea Kim dagegen. Der Besitzer von Außenseiter Our Island hat übrigens ein „gutes Gefühl“ im Magen.
15:50: Es ist vollbracht. Endlich der erste Sieg bei Cheltenham 2011 für Nicky Henderson. „Er machte es in sehr gutem Stil“, sagt RUK-Experte Neesen über den Favoriten Bobs Worth. Und Nicky Henderson, der alte Routinier, ist richtig erleichtert, es wirkt, als wenn er Tränen in den Augen hätte. Sein Mitgefühl gilt seinem Besitzer Michael Buckley, dessen Pferd Mossley Zweiter wurde. Diesen Platz belegte er schon mit Spirit Star am Dienstag, gestern verlor er seinen guten Handicapper Lush Laces. Meinem Tipp Kilcrea Kim fehlte dann doch das letzte Stehvermögen für die drei Meilen.
16:05: Der Countdown zum Gold Cup läuft, das Rennen habe ich schon im Vorfeld eingehend analysiert. Imperial Commander und Long Run teilen sich die Favoritenrolle am Toto. „Denman sieht gut, aber nicht außergewöhnlich, aus“, sagt RUK-Interviewer Machin über meinen Tipp. Na ja, gut reicht vollkommen. Mein Champion des Herzen wäre Midnight Chase, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er von der Spitze erfolgreich ist. Zudem fehlt Dougie Costello im Sattel, der sich am Montag vor dem Festival in Stratford verletzte und einige gute Chancen verpasst. Die Iren wetten alle Kempes aus dem Mullins-Stall.
Long Run hat gerade die Favoritenrolle übernommen, Denmans Quote fällt. Kauto Star sieht fantastisch aus.
16:30: Der Nachwuchs hat zugeschlagen: Long Run mit Amateur Sam Waley-Cohen hat den Gold Cup gewonnen. „Unbeatable“ sagt RUK-Analyst Neesen. Es war ein grandioses Rennen, auch wenn ich wieder nur Zweiter war. Denman und Kauto Star, der Zweite und Dritte, werden frenetisch gefeiert. Besonders Denman lief ein großes Rennen, zwischendurch sah es so aus, als wenn die alte Garde es machen würde und Denman triumphierte, bis Long Run erschien. Dennoch ein ganz exzellenter Ritt von Sam Thomas auf Denman. Keine Ahnung, warum Thomas zuletzt so in Ungnade gefallen ist. „Unglaublich“, sagt Siegritter Waley-Cohen. Sein Vater, der Besitzer von Long Run, ist heiser. Er ist „some machine“, sagt RUKs Nick Fox, über den Sieger. Was für ein Rennen, ich hatte hinterher bei den Bildern Tränen in den Augen…
16:45: Paul Nicholls gerade im Interview. Die Plätze 2, 3 und 4 (auch What a Friend lief sehr gut) für den Trainer - und er ist sehr stolz auf seine alte Garde. Und auch Alex Ferguson, Manchester United-Manager und Besitzer von What a Friend, ist stolz. "Es ist eine fantastische Atmosphäre", sagt der Meister. Midnight Chase lief ein gutes Rennen, aber er war einfach nicht gut genug.
Nur im Stall von Trainer Twiston Davies dürfte man enttäuscht sein: Titelverteidiger Imperial Commander hatte keine Chance, kam lahm aus dem Rennen.
17:00: Es geht weiter nach diesem Highlight. Die Foxhunter Chase, der Gold Cup quasi für die Amateure, steht auf dem Programm. 24 Pferde – und ich habe keine Ahnung, wer gewinnt. Ich mache mal eine Wettpause, vier Tage Cheltenham fordern ihren Tribut. Bekannte Namen sind im Feld. Zum Beispiel Amicelli, 2008-Sieger, inzwischen 12 Jahre und früher einmal trainiert von Andreas Wöhler in Deutschland.
17:10: Ein Tag zum Vergessen für den Stall von Nigel Twiston-Davies. Erst floppt Imperial Comander und dann stürzt auch noch der führende Baby Run am vorletzten Hindernis. Wahrscheinlich hätte er gewonnen, so siegte der 340:10-Schuss Zemsky. Im Sattel der überragende Amateur Derek O’Connor, ständiger Reiter von Dunguib und beim diesjährigen Festival schon erfolgreich mit Chicago Grey. Amicelli spielte nie eine Rolle, stand aber auch 670.
17:30: Es wird endlich Zeit für den ersten Mc Manus-Erfolg bei diesem Festival. Qaspal trägt die bekannten grün-orangen Farben, kommt zwar aus einer Pause, hatte vorher aber sehr gute Formen. Natürlich möchte der Pipe-Stall das nach Martin Pipe benannte Rennen für Nachwuchsjockeys gewinnen und Shoegazer sollte eine gute Chance haben. Aber auch hier gilt: Es ist ein verdammt schwieriges Rennen. Mein Lieblings-Azubi David Bass reitet Außenseiter First Point.
17:50: Wieder Irland und wieder Mullins: Sir des Champs kam aus fast aussichtsloser Position angeflogen und verdarb wieder einem Donald Mc Cain-Pferd, Son of Flicka, die Party. Dann gab es noch den „Vater und Mutter eines Sturzes“ (Nick Luck) von Shalone, hoffentlich sind Pferd und Jockey ok. Qaspal kam nie von hinten weg.
18:00: Ein Rennen haben wir noch und dann ist auch dieses Cheltenham-Festival Geschichte. Zeit für eine persönliche Wettbilanz: Die ersten zwei Tage waren ganz hervorragend. Vier Sieger am Dienstag und Mittwoch sorgten für ein Plus. Der Donnerstag war wie immer mies und heute reichte es bislang nur zu maximal zweiten Plätzen. Allerdings war der Gold Cup ein echtes Highlight und mich wundert es immer noch, dass kein Nachbar sich beschwert hat. Denn Denman habe ich richtig laut angefeuert.
Im Johnny Henderson Grand Annual hoffe ich auf Jockey David Bass, der - wenn ich ihn gespielt habe - nie im Stich gelassen hat. Er reitet Anquetta für seinen Chef Nicki Henderson, nach dessen Vater das Rennen benannt ist. Come on, Anquetta. Gute Nachricht aus dem Vorrennen: Shalone und Reiter Charlie Huxley sind in Ordnung.
18:25: Selbst Besitzer Terry Warner war überrascht: 410:10-Schuss Oiseau de Nuit gewann vor Askthemaster (670:10) und Leo's Lucky Star (210:10). "Schön für die Tizzards" sagt Nick Luck. Und hat Recht: Zwei gute Pferde haben sie in diesem Jahr verloren, Cue Card war als hochgehandelter Favorit nur Vierter im Supreme Novices. So ist das im Pferderennen: Glück und Pech liegen nah beieinander.
Und wenn ein Jockey wie Nachswuchsmann Steven Clements sein erstes Rennen des Festivals gewinnt, dann ähneln Interviews fast Ansprachen einer Oscar-Verleihung. Ein freudestrahlender Clements dankte allen, die er kennt. Anquetta lag übrigens lange gut im Rennen.