„Kann nur gewinnen, wenn er die berühmte Abkürzung kennt“ schwadronierte einst immer Turf-Journalist Klaus Göntzsche in der Bild am Sonntag, als diese noch eine Derbyvorschau im Heft hatte. Außenseiter gibt es wieder ohne Ende im Deutschen Galopp-Derby am Sonntag (18.7.) in Hamburg-Horn, wenn 20 Pferde zum wichtigsten Rennen im Turfkalender in die Boxen einrücken. Mein Derbytipp steht allerdings schon seit Mitte Juni…
Die Derbystarter im Überblick 1 Monteresso (Trainer Mark Johnston/Kieren Fallon): War schon früh in der Saison aktiv, bereits in Januar und Februar erfolgreich auf der Allwetterbahn in Lingfield und marschierte dann durch die Handicaps in Grupperennen. Höhepunkt natürlich der Erfolg in den King Edward VII-Stakes (2400 Meter) während Royal Ascot, dort schlug der Schützling von Mark Johnston unter anderem seinen heutigen Konkurrenten Buzzword. Nur neun Tagen lief er nachgenannt im irischen Derby, hatte dort als Vierter aber keine Chance, war aber mit drei Längen nicht weit geschlagen. Sein Trainer agiert derzeit in Top-Form, nach Abstammung ist Monterosso eher ein Pferd für kürzere Distanzen. Aber entscheidend ist auf dem Platz: Da hat der Dubawi-Sohn bereits über die Derby-Distanz von 2400 Metern gewonnen.
2 Zazou (Trainer Mario Hofer/Jockey Olivier Peslier): Der Hengst war schon ein herausragender Zweijähriger und ist offensichtlich ein noch besserer Dreijähriger. Eindeutig bisher die Nummer 1 im Jahrgang, der die wichtigste Derby-Vorprüfung, das Kölner Union-Rennen, trotz eines nicht optimalen Rennverlaufs gewann wie er wollte. Zazou hat etwas, was Klassepferde auszeichnet und die Engländer „Turn of Foot“ nennen: Er beschleunigt mühelos einen Gang höher, deutlich erkennbar in der Union. Nach Abstammung ist es nicht sicher, ob er über 2 400 Meter kommt, aber da vertrauen wir Pedrigree-Expertin Christa Riebel von der Sport-Welt: Sie kommt zu dem Schluss, dass ausreichend Stamina da ist.
3 Buzzword (Trainer Mahmoud Al Zarooni/Royston Ffrench): Letzter Sieg zweijährig im Prix La Rochette (Gr.3) in Longchamp, danach griff man nach den Sternen: Dewhurst, Breeders’Cup, französische 2000 Guineas (dort immerhin Vierter vor Zazou), Epsom Derby – und überall eigentlich chancenlos. Zuletzt war Buzzword 3. hinter Monterosso in besagtem Royal Ascort-Rennen. Für eine Formumkehr spricht nur wenig, dennoch ist der Pivotal-Sohn gefährlich, weil er in seiner Laufbahn schon ganz andere Gegner gesehen hat.
4 Scalo (Andreas Wöhler/Eduardo Pedroza): Der Lando-Sohn war schon früh nach Siegen in Frankfurt und München prominent im Derby-Wettmarkt. Erster Dämpfer in der Union, als Pedroza ihn klassisch festritt und der Ittlinger nur auf Rang 5 kam. Und besonders die Siegform im Münchener Bavarian Classic schätze ich nicht so hoch ein, weil die Gegner ihre Form nicht bestätigten. Keine Probleme mit der Distanz.
5 Kite Hunter (Mario Hofer/Johan Victoire): Immer in der erweiterten Jahrgangsspitze, tolle Leistung unter anderem als Zweiter im Mehl-Mülhens-Rennen. Alles aber über kürzere Strecken. Nach Abstammung kann ich mir nicht vorstellen, dass Kite Hunter die 2400 Meter bewältigt.
6 Russian Tango (Andreas Wöhler/Jozef Bojko): Spätestens nach seinem überlegenen Maidensieg zu Beginn der Saison galt Russian Tango im Wöhler-Quartier als Kandidat für bessere Rennen. Platz 3 im Mehl-Mülhens-Rennen und der Erfolg im Bremer Derby Trial untermauerten dies. Wobei der Sieg in Bremen schwer einzuschätzen ist: Flaues Tempo, am Ende endeten die Pferde fast in einer Linie. Russian Tango zeigte zudem noch deutlich Unreife, pullte stark. Dass er gewann, spricht für ihn. Auch die Frage nach dem Stehvermögen konnte der Bremer Test nicht endgültig beantworten.
7 Neatico (Peter Schiergen/Christophe Soumillon): Guter Zweijährigerer, aber dreijährig eher enttäuschend. So eine Aufgabe wie zuletzt in München muss er einfach gewinnen, um Derbyambitionen anzumelden. Aber vielleicht erinnert sich der Sohn von Medicean an seinen früheren Stallgefährten Lando. Der enttäuschte auch zuerst dreijährig – und dann siegte er im Derby.
8 Lindentree (Waldemar Hickst/Yann Lerner): Noch wenig geprüft. Nach dem überzeugenden Debüterfolg kam der erste Dämpfer mit Rang 3 in einer ähnlichen Aufgabe in Hannover. Es folgte ein überzeugender Platz in der Union, ohne eine echte Chance gegen den Sieger Zazou zu haben. Dürfte noch nicht alle Karten aufgedeckt haben, dennoch ist eine Formumkehr gegen Zazou nur schwer vorstellbar.
9 Ustilago (Werner Baltromei/Dominique Boeuf): Noch sieglos, bislang nur in Frankreich gelaufen. Die Formen kann ich überhaupt nicht einordnen, aber eher zweifelhaft, ob Ustilago die Röttgener Derby-Flaute beenden kann. Seinen schlauem Trainer traue ich das aber durchaus zu….
10 Baschar (Miltcho Mintchev/Anthony Crastus): Die dritten Plätze in der Union und im Großen Preis der Sparkasse Dortmund lesen sich gut, obwohl Baschar in beiden Prüfungen keine wirkliche Siegchance hatte. Außenseiter, mehr nicht....
11 Nordfalke (Peter Schiergen/Andreas Göritz): Eigenlich sollte Steffi Hofer den Wittekindshofer reiten, doch Deutschlands Jockeyentdeckung der letzten Jahre verletzte sich so schwer, dass sie im wichtigsten Rennen des Jahres nicht reiten kann. Nordfalke bekam seine Grenzen in der Union gezeigt, davor nur hauchdünn geschlagener Zweiter in Dortmund. Große Bedenken habe ich bei Nordfalke in Sachen Stamina.
12 Keep Cool (Andreas Löwe/Terence Hellier): Zweiter in Frankfurt und danach Vierter im Bavarian Classic – mehr als eine Außenseiterchance ist da nicht zu entdecken. Auch wenn Keep Cool zuletzt ein harmloses Sieglosenrennen in Dortmund wie ein heißer Favorit gewann.
13 Next Hight (Peter Schiergen/Filip Minarik): Der toll gezogene Hengst ist noch sieglos nach fünf Rennen, er könnte die berühmte Abkürzung benötigen.
14 Supersonic Flight (Mirek Rulec/Daniele Porcu): Noch wenig geprüft, der 2. Platz in Hannover hinter Seventh Sky liest sich ganz gut, zumal er jetzt drei Kilo günstiger im Gewicht steht. Ein Pferd mit viel Potenzial, das Derby könnte aber etwas früh kommen.
15 Nightdance Paolo (Peter Schiergen/Jiri Palik): Jeweils Dritter in Frankfurt und München hinter Scalo, durchaus deutlich geschlagen, nicht mehr als Außenseiter
16 Lamool (Mario Hofer/Adrie de Vries): Zuletzt 5. in einem Gruppe 3-Rennen in Chantilly. Auch Lamool müsste seine Vorformen deutlich überbieten, um hier eine Chance zu haben.
17 Seventh Sky (Peter Schiergen/Andrasch Starke): Die geraden Jahre sind in Hamburg fast immer Andrasch Starke-Jahre. Seit 1998 gewann der in Stade aufgewachsene Jockey fast alle zwei Jahre (nur 2004 nicht), siegte fünf Mal, unter anderem mit Samun und Schiaparelli, den Halbbrüdern von Seventh Sky. Der brauchte allerdings erheblich mehr Zeit als seine Geschwister, der Knoten platzte erst mit dem Erfolg im Derby-Trial von Hannover. Stehvermögen ist da, allerdings schätze ich die Gegner in Hannover nicht so stark ein. Zudem trug der Hengst ein niedrigeres Gewicht als einige seiner Konkurrenten.
18 Val Mondo (Uwe Ostmann/Ioritz Mendizabal): Beste Form als Zweiter im “Decken-Finish” im Bremer Derby-Trial. Macht zudem den Eindruck eines großen Stehers, was er nach Abstammung über die Mutterlinie gar nicht sein kann.
19 Jammy Shot (Andreas Wöhler/Mirco Demuro): Auf Sand im Dezember in Dortmund noch meilenweit geschlagen, scheint Jammy Shot auf Gras ganz andere Klasse zu haben. Noch Potenzial nach oben, für den Derbysieg reicht es aber nicht.
20 Sir Lando (Wido Neuroth/Norwegen/Jimmy Fortune): Appel Au Maitre erstaunte einst als Zweiter im Kölner Union-Rennen, der immer noch wichtigsten Derbyvorprüfung. Überraschen kann Sir Lando auch. Aber gewinnen…
Urteil
Zazou könnte für Trainer Mario Hofer im 141. Deutschen Derby die Nase vorn haben. Zugegeben ist das keine besonders originelle Vorhersage, zumal das Tippen von Favoriten überhaupt nicht meiner Wettphilosophie entspricht. Wer aber gesehen hat, wie Zazou in der Köln Union mühelos einen Gang höher schaltete, der kann meinen Enthusiasmus nachvollziehen. Die Gegner kommen mit Monterosso und Buzzword aus dem Godolphin-Imperium. Wer unbedingt einen Außenseiter für eine lukrative Platzwette braucht, dem empfehle ich Supersonic Flight.