Ticketpreise wie bei den Rolling Stones
Manchmal muss es den Geschäftsführer oder Manager einer deutschen Rennbahn doch richtig schütteln. Etwa, wenn er auf die Eintrittspreise englischer Rennbahnen schaut. Denn die nehmen Preise, die ein deutscher Rennbahn-Manager nie durchdrücken könnte. Und die Zuschauer in England zahlen dies auch noch. In Deutschland blieben hingegen die Tribünen leer und es gebe heftige Proteste gegen diesen Bonzensport.

Nehmen wir einmal an, der (in diesem Fall) fiktive Geschäftsführer einer deutschen Rennbahn sieht die Ticketpreise für das Grand National Meeting in Aintree. Da kosten die teuersten Karten für den Princess Royal Roof und den Lord Daresbury Roof am Samstag jeweils 95 Pfund (ca. 123 Euro) – und die sind auch schon ausverkauft.
Wer unbedingt sitzen möchte, dem bleiben „nur“ die Earl of Derby Terrace und die Lord Sefton Terrace (beide 90 Pfund, ca. 116 Euro) oder die etwas günstigeren „West Tip Seats“ für schlappe 72 Pfund oder 93 Euro. Der „normale“ Tattersalls“-Bereich kostet am Tag des durchaus umstrittenen Klassikers 49 Pfund (ca. 63 Euro).
Dafür hat der Besucher keinen Sitzplatz, aber Zugang zum Führring und kann die Rennen auf dem oder der „Mound“ verfolgen, einem aufgeschütteten asphaltierten Hügel. Die Stimmung dort ist famos, wie überhaupt die ganze Atmosphäre toll ist. Dennoch: 63 Euro ohne festen Platz für maximal sieben Rennen sind eine ganze Menge Holz.
Wohlgemerkt: Das sind nur die Kosten für das Betreten des Rennkurses. Wer noch was essen und trinken will, muss zusätzlich kräftig bezahlen. Da kann der Besucher nur auf einen dicken Wett-Treffer hoffen, wenn ihm seine Finanzen wichtig sind.
Nun, merkt unser fiktiver Geschäftsführer aus Deutschland an, sei das Grand National das bekannteste Rennen der Welt und somit einzigartig. Aber andere Top-Veranstaltungen wie das Cheltenham Festival oder Royal Ascot in England nehmen auch diese hohen Ticketpreise.
Das Limit nach oben ist scheinbar unbegrenzt. Doch die Zuschauer bezahlen diese Preise, Cheltenham etwa meldete in den letzten Jahren häufig ausverkauft. Dabei kann der Besucher das Ganze auch viel gemütlicher im TV oder im Internet schauen und sieht dabei viel besser. Unser fiktiver Geschäftsführer wundert sich und träumt davon, dass so etwas auch in der Heimat möglich wäre.
Generell gilt, dass der Besuch einer Rennbahn in England ein kostspieliges Vergnügen ist (siehe Preise York). Es gibt auch billigere Plätze, doch die sind weit vom Ziel entfernt und ermöglichen noch nicht mal den Besuch des Führrings. Gelegentlich gibt es mal leise Proteste gegen die hohen Ticketpreise, doch es ändert sich nicht viel. Freier Eintritt wie auf dem Kurs in Towcester bleibt eine Ausnahme.

Anderer Status
In Deutschland ist die Situation ganz anders. 17 Euro für einen Stehplatz am Hamburger Derbytag, dem wichtigsten Renntag des Jahres, sind eine Ausnahme. Auf den nordrhein-westfälischen Bahnen (zum Beispiel Köln) zahlt der Besucher auch bei Grupperennen weniger als 10 Euro für einen Stehplatz. Oder kommt umsonst hinein.
Sind die Engländer also viel reicher als die Deutschen? Im Gegenteil zu Deutschland hat England die Bankenkrise 2009 wirtschaftlich hart getroffen. Aber es gibt auf der Insel eine ganze Menge reicher Leute, alt- und neureich. Andere belasten ihre Kreditkarte bis zum Limit. Die deutsche Mentalität unterscheidet sich deutlich: „Geiz ist geil“, der einstige Slogan einer Elektrokette, gilt immer noch viel im Land der Discounter Aldi und Lidl.
Hinzu kommen Status der Veranstaltungen und die Bedeutung des Sports. Cheltenham und Aintree sind sportliche Höhepunkte des Jahres. Genügend Leute sind daher bereit, diese Preise zu zahlen. Dazu hat der Rennsport einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland.
Während der Turf hier Randsport ist, hat er auf der Insel zwar auch ein paar Probleme, zählt aber dennoch zu den Top-Sportarten wie Fußball, Rugby oder Kricket. Englische Medien berichten mehr über Pferde als über die Formel 1.
Übrigens: Für mindestens 103 Euro war der Interessent im letzten Jahr bei den Rolling Stones dabei. Und manche Londoner Fußballclubs wie Chelsea oder Arsenal sind auch nicht günstiger. Eine komische Welt, denkt sich da unser fiktiver Geschäftsführer.