Das Recht zu pfeifen
Manchmal nerven Medien und Öffentlichkeit einfach nur. Zum Beispiel wenn sie den Moralapostel mimen und das Verhalten anderer brandmarken. Etwa die Tatsache, dass der Fußball-Fan abtrünnige Spieler wie Mario Götze und Manuel Neuer bei ihrer Rückkehr an die alte Wirkungsstätte nicht mehr auspfeifen soll. Das ist totaler Humbug – die Fans, die im Gegensatz zu diesen Söldnern ihrem Verein auch in schlechten Zeiten folgen, haben ein Recht zu pfeifen.

Zum Beispiel Mario Götze. Der hochbegabte Nationalspieler und neuerdings „WM-Held“ gilt nach seinem dubiosen Wechsel von Borussia Dortmund zum Erzrivalen Bayern München quasi als unerwünschte Person in Dortmund. Und zu Recht: Götze stärkte mit seinem Wechsel einen Mitkonkurrenten und verdient keine Nachsicht. Wenn er nach Madrid oder Manchester gewechselt wäre, dann wäre das in Ordnung gewesen. Aber FC Bayern? Vielleicht betrachtet er das Mehrgeld, das er dort verdient, einfach als eine Art Schmerzensgeld. Und mit Pfiffen muss er als Profi leben. Da kann BVB-Boss Hans-Joachim Watzke noch so sehr um Nachsicht betteln. Auch in den nächsten Jahren bleibt Mario Götze ein rotes Tuch bei Schwarz-Gelb.

Ob Weltmeister oder nicht
Zum Beispiel Nationalkeeper Manuel Neuer, seit 2011 ebenfalls beim Rekordmeister aus München. Auch heute pfeifen ihn die Schalker Anhänger immer noch aus, wenn er mit dem FC Bayern in die Arena zurückkehrt. „Fies und kleingeistig“ nennt Hermann Beckfeld diese zuschauer.
Beckfeld ist Chefredakteur der in Dortmund erscheinenden Tageszeitung Ruhr-Nachrichten und schreibt in der Wochenend-Ausgabe des Blattes immer Briefe an bekannte Personen. Die sind ein Highlight der Ausgabe und immer eine lohnende Lektüre, weil Beckfeld ein sehr guter Schreiber ist. Inhaltlich teile ich nicht alles – und in Sachen Neuer liegt der Herr Chefredakteur einfach mal falsch.
Zumal er schon am Anfang ziemlich auf die Emotionen seiner Leser schielt. „Lieber Manuel…..„für die (Schalker Fans) waren Sie der Judas, der Schalke verraten, der seine Leidenschaft für die Knappen verkauft hat.“
Dann geht es richtig auf die Tränendrüse. Der Weltmeister, der immer ein Schalker geblieben ist. Der heute noch zu den Schalker Fans winkt. Der Junge, der einst in der Nordkurve stand. Der extra früher ins Stadion kam, um Jens Lehrmann beim Aufwärmen zu sehen. Tja, mein lieber Hermann Beckfeld, wenn man schon so lange auf Presse- und VIP-Tribünen sitzt, dann weiß man nicht, dass die Fanblöcke schon gefüllt sind, wenn die Torhüter ca. 40 Minuten vor Anpfiff den Rasen betreten.
Der Brief ist eine einzige peinliche Anbiederung an Manuel Neuer – vom beruflichen Aufsteiger quasi zum sportlichen Emporkömmling. Da ist man schon gerne mal auf einer Wellenlänge.

Königsklasse
Aber wenn Neuer immer noch ein Schalker ist, warum ist er dann nicht dort geblieben? Vielleicht, ganz zaghaft angemerkt, spielt doch das liebe Geld eine Rolle. Champions League kann er doch auch mit Königsblau spielen und wenn er dann mal Meister werden würde (ein ganz starker Dortmunder Konjunktiv), dann würde es eine epochale Feier geben und nicht so einen müden Ringelpiez wie in München. Ein großartiger Schlussmann war unser Herzens-Knappe auch schon auf Schalke. Manche Experten meinen zwar, er habe sich beim FCB weiter verbessert, doch diese schreien ja auch bei jeder halbwegs passablen Parade sofort Weltklasse.
Und dann noch das Argument mit dem Weltmeister, auf die wir doch so stolz sein können. Meine Güte, Vereinsfußball ist etwas anderes als die Nationalmannschaft. Meine zweite Reaktion nach dem 2:1 durch Mario G. im WM-Finale war „Ausgerechnet der Götze“.
Wenn Götze und Neuer mit der Nationalmannschaft nach Dortmund und Gelsenkirchen kommen, muss man natürlich nicht pfeifen. Ist ja Nationalmannschaft…