Was Joe Fanning und Andreas Löwe verbindet
Natürlich ist die Turfsaison noch lange nicht beendet. Aber wenn mich später jemand fragt, wer mir in der Saison 2014 am meisten auffiel, dann würde ich definitiv Trainer Andreas Löwe aus Köln und Jockey Joe Fanning aus England antworten. Beide eint, dass sie schon sehr lange im Geschäft sind. Beide erlebten auch schon härtere Zeiten. Doch Qualität setzt sich eben durch. Sowohl der deutsche Trainer als auch der englische Jockey haben es verdient, dass sie diese Kolumne kurz portraitiert.

Der Altmeister
2014 ist bislang ein großartiges Jahr für Andreas Löwe: Der Gruppe 1-Sieg von Sirius am Sonntag in Hoppegarten war ein weiterer Erfolgs-Meilenstein für den Kölner Trainer.
21 Siege bei nur 62 Starts lautet die bisherige Saison-Bilanz in Deutschland (Stand 12. August), das ist ein unglaublicher Sieg-Schnitt von fast 34 Prozent. Anders ausgedrückt: Jedes dritte Pferd, das Löwe und sein Team satteln, kam in diesem Jahr als Sieger zurück. Zum Vergleich: Markus Klug, der Führende in der Statistik, kommt auf einen ebenfalls glänzenden Schnitt von 27,91 Prozent, andere deutsche Top-Quartiere erreichen Werte von 22,55 Prozent (Waldemar Hickst), 21,66 Prozent (Andreas Wöhler) oder 17,77 Prozent (Peter Schiergen). Alles nicht schlecht, doch blass gegenüber den Löwe-Werten.
„Wir sind stolz auf unsere Pferde“, schrieb Andreas Löwe auf der gut sortierten Homepage des Stalles. Typisch für ihn ist die Betonung des „wir“, denn bei jeder Gelegenheit lobt der Trainer seine Frau, Mitarbeiter und Besitzer. Nicht er, sondern das Team ist der Star.
Seit 1981 trainiert Löwe, Geburtsjahr 1942, Vollblutpferde. Im letzten Jahr hatte er laut Stallparade der Fachzeitschrift Sport-Welt mal Rücktritts-Gedanken, doch dann folgte ein erfolgreicher Herbst 2013 und er machte weiter. Auch weil seine Besitzer das so wollten.
Da ahnte noch niemand, wie erfolgreich 2014 werden sollte. Seit Beginn der Grasbahnsaison stimmte die Stallform und hält quasi bis heute. Mit Lucky Lion trainiert Löwe ein Ausnahmepferd auf Distanzen von der Meile bis zu 2000 Metern. Der Hengst beeindruckte ungemein bei seinen Erfolgen im klassischen Mehl-Mülhens-Rennen und dem Münchner Gruppe 1-Großen Dallmayr-Preis. Auch über 2400 Meter im Derby lief er hervorragend, nur traf er da auf einen Ausnahmekönner wie Sea The Moon. Nicht nur diese Kolumne hatte Zweifel am Stehvermögen des High Chaparal-Sohnes, sein Trainer hingegen nicht.
Der bereits genannte Sirius, Rapido und die Stuten Indian Rainbow und Diamond Dove sind weitere hochbegabte Vertreter des Derby-Jahrganges, von den älteren Semester punktete zudem Amaron auf Top-Ebene regelmäßig.
Andreas Löwe hat nie für die großen Ställe trainiert, doch viele seiner Besitzer sind ihm schon seit Jahren verbunden. Seine größten Erfolge feierte er in den Jahren zuvor mit Stuten wie Mystic Lips, Lips Poison, Shapira oder Portella in den deutschen 1000 Guineas oder der Diana. Sehr gute Hengste waren vor dieser Saison der Top-Meiler Sehrezad und der unverwüstliche Protektor.
Noch mehr persönliche Erinnerung habe ich allerdings an Lierac, den ich einst im Derby zu hohen Quoten gewettet hatte und der mir fast den Atem nahm, als er im Derby 2001 auf einmal chancenreich außen auftauchte. Gegen Boreal gab es dann doch kein Ankommen, aber immerhin noch eine lukrative Platz-Quote. Leider hatte Lierac viel Verletzungspech und konnte diese Form nie wieder zeigen.



Joe Fanning in Hochform: Der Sieg mit Universal in den Jockey Club Stakes in Newmarket. Zu den geschlagenen Pferden gehörte auch ein gewisser Noble Passion

Tempo-Kenner und ein großer Kämpfer
Der Erfolg mit Amralah am Samstag in den englischen Rose of Lancaster Stakes in Haydock zeigte eindrucksvoll die große Stärke des Joe Fanning: Kein anderer Jockey reitet ein Rennen so gut von der Spitze aus wie er, nur wenige haben dieses Tempogefühl und diesen Kampfgeist. Die 150:10-Chance Amralah aus dem Mick Channon-Stall schickte Fanning direkt an die Spitze der Gruppe 3-Prüfung, ließ die Stute marschieren und dominierte Feld und Tempo.
Nun ist das mit dem Rennen an der Spitze oftmals so eine Sache: Irgendwann kommen die „Räuber“ und ziehen vorbei, das Pferd hat die Arbeit gemacht und geht leer aus. Viele Jockeys gehen das Rennen zu schnell an und wenn dann alle an einem vorbeiziehen, sieht man nicht gerade gut aus.
Doch Fanning ist ein Meister des richtigen Tempos. Je älter er wird, desto besser beherrscht er diese Taktik. An Amralah kam jedenfalls niemand vorbei – auch nicht der hoch eingeschätzte Hillstar aus dem Quartier von Sir Michael Stoute. Immer wieder fand die Stute neue Reserven, der Sieg war letztlich sicher.
Dreimal siegte der Jockey an diesem Nachmittag, aber erstaunlicherweise kein einziges Mal für seinen Patron Mark Johnston. Der 44jährige Fanning passt dabei hundertprozentig zur bevorzugten Taktik der Johnston-Pferde. Der Schotte lässt seine Pferde gerne von vorne laufen und oft ist an ihnen nur schwer vorbeizukommen, weil sie viel Kampfgeist und Willen zeigen. „A typical Mark Johnston-horse“, sagen dann immer die Experten. Zuletzt in Goodwood waren diese Tugenden mal wieder einige Mal zu bewundern – und oft war Joe Fanning der Mann im Sattel.
Der gebürtige Ire aus dem County Wicklow, der 1990 sein erstes Rennen in England gewann, zählt zu den oftmals unterbewerteten Charakteren der Jockey-Szene. Denn wie vielen seiner Kollegen aus Nordengland fehlen ihm die „Glamour-Erfolge“. So hat Fanning in seiner langen Karriere noch nie ein Gruppe 1-Rennen gewonnen, dabei muss er sich vor den Top-Jockeys wie Ryan Moore, Richard Hughes oder William Buick keineswegs verstecken.
Überhaupt ist das bei ihm wie mit ausgewählten Weinen: Je älter, desto besser. Seit 2009 hat er in jedem Jahr über 100 Rennen gewonnen; 2012 waren es sogar 188; 2012 auch noch 156 Erfolge. In diesem Jahr führt Fanning aktuell mit 130 Erfolgen die englische Jockey-Statistik vor Adam Kirby und Ryan Moore an. Und vielleicht reitet er ja auch irgendwann mal für Andreas Löwe.