Montag, 17. August 2015
Traumbeginn für Thomas Tuchel und den BVB
Was war denn da los am Samstag im Dortmunder Signal-Iduna Park, dem ehemaligen Westfalenstadion? Nicht nur ich war positiv überrascht: 4:0 schlug Borussia Dortmund den Namensvetter aus Mönchengladbach und bot eine Gala-Vorstellung wie schon lange nicht. Für Neutrainer Thomas Tuchel war es ein Traumeinstand bei seiner Bundesliga-Premiere im schönsten Stadion der Liga.

Dabei hatte die Saison am Freitag mäßig begonnen: Im Free-TV bei der ARD lief Bayern München gegen den Hamburger SV zur Saisonpremiere. Das Spiel war ein ziemlicher Langweiler und machte definitiv keinen Appetit auf die neue Saison. Der HSV präsentierte sich so grottenschlecht wie prophezeit und spätestens nach dem Münchner 2:0 war das Spiel gelaufen. Die Hanseaten ergaben sich quasi ohne Gegenwehr, Bayern hatte leichtes Spiel. Ich habe mir lieber die Rennprogramme für den Samstag in England angeschaut.
Auch sonst waren die Erwartungen vor der Heimpremiere des BVB eher gedämpft. Klopp-Nachfolger Tuchel verdient Geduld. Der Gegner aus Gladbach war ein guter, die Dortmunder Vorbereitung war in Ordnung, aber eine erfolgreiche Vorbereitungsphase sagt noch nichts über eine starke Saison.

Spaß am Spiel
Alles Theorie: Der BVB präsentierte sich ungemein spielfreudig und sorgte für grandiose Stimmung im Stadion. Nach kurzem Abtasten dominierte Dortmund die Borussia vom Niederrhein in allen Belangen. Der BVB kombinierte traumhaft sicher, schoss drei wunderschöne Tore und hätte noch mehr Treffer erzielen können. „Die Auferstehung der Hochgelobten“, betitelte die örtliche Tageszeitung Ruhr Nachrichten ihren Spielbericht und das beschreibt die Leistungen treffend nach der letzten etwas enttäuschenden Spielzeit.
Es war ein Genuss, wie die starken Individualisten Marco Reus, Shinji Kagawa, Henrikh Mkhitaryan und Pierre-Emerick Aubameyang die Gladbacher Defensive durcheinander wirbelten. Reus merkte man an, dass er endlich mal eine verletzungsfreie Vorbereitung hatte. Kagawa spielte so unbeschwert wie bei seinem Einstieg in Dortmund. Mkhitaryan hat mit dem neuen Trainer offenbar den ihn hemmenden Ballast abgebaut und Aubameyang erwies sich nicht nur als schneller Stürmer, sondern auch als ballsicherer Kombinierer.
Aber es waren nicht nur die Individualisten im Angriff, die herausragten. Marcel Schmelzer wirkte selbstbewusst wie schon lange nicht und kann auf einmal flanken. Auch Ilkay Gündogan erinnerte an alte Glanzzeiten und natürlich muss man Neuzugang Julian Weigl erwähnen. Gerade mal 19 Jahre jung ist der Neuzugang von 1860 München und sieht noch aus wie ein U19-Spieler. Doch seine Leistung war die eines Routiniers: ballsicher, zweikampfstark und sehr spielintelligent. Damit hat Weigl auf der Sechser-Position immerhin etablierte Spieler wie Sven Bender oder Neuzugang Gonzalo Castro erst mal verdrängt.
Es war eine regelrechte Lust, das Dortmunder Spiel zu verfolgen. Denn auch nach dem 3:0 zur Pause und dem frühen 4:0 machte der BVB weiter und hätte die armen Gladbacher noch höher abschießen können.

Ein Lob an Jürgen Klopp
Natürlich gab es Unterschiede zum BVB unter Jürgen Klopp. Pressing und Gegenpressing sind zwar immer noch elementar, doch inzwischen wird auch mal „hinten rum gespielt“. Also nicht bedingungslos nach vorne (wobei es unter Klopp auch Varianten gab), das Spiel ist mehr auf Ballbesitz und geduldiges Ballhalten ausgelegt. Am Ende hatte Dortmund 60 Prozent Ballbesitz, gefühlt waren es noch zehn Prozent mehr. Doch die Mischung machte es: Denn im richtigen Moment spielte Schwarz-Gelb explosiv nach vorne.
Tuchel sammelte zudem weitere Pluspunkte, in dem er auf die Arbeit seines Vorgängers hinwies. „Wir hätten hier nicht so gewinnen können, wenn Jürgen nicht super Arbeit geleistet hätte“, sagte er nach dem Spiel im ZDF-Interview. „Wir müssen damit aufräumen, dass unsere jetzigen Leistungen immer gleich Kritik an Jürgen Klopp sind. Das gehört sich nicht.“ Gut gesprochen.



Freitag, 7. August 2015
Die Stunde der Wahrheit für Nutan
Das scheint ein großartiger Preis von Berlin am Sonntag in Hoppegarten zu werden. Der Derbysieger Nutan trifft auf starke deutsche Gegner wie Ito, Singing und Sirius, zudem schickt Luca Cumani, der Trainer des King George-Siegers Postponed, mit Second Step einen starken Gast aus England ins Rennen. Insgesamt acht Pferde werden in dieser Gruppe 1-Prüfung über 2400 Meter laufen.

Ehre wem Ehre gebührt – und damit meinen wir den Derbysieger Nutan. Das war schon eine herausragende Leistung im wichtigsten Rennen des Lebens: Hochüberlegen siegte der Schiergen-Schützling und zeigte sich noch einmal deutlich gesteigert gegenüber dem zweiten Platz in der Union. Distanz und Boden sollten passen, im Sattel sitzt wieder Erfolgsjockey Andrasch Starke.
Einer seiner Gegner ist der Schlenderhaner Ito, ein Spätentwickler, der erst jetzt als Vierjähriger richtig ins Rollen kommt. Zuletzt gewann er sicher Start-Ziel den Großen Preis der Badischen Unternehmer in Iffezheim über 2200 Meter. Die Konkurrenz mag schon stärker gewesen sein, aber es war dennoch eine imponierende Vorstellung von Ito mit Filip Minarik im Sattel. Es ist der erste Versuch des Schützlings von Trainer Jean-Pierre Carvalho über 2400 Meter, aber das Stehvermögen sollte der Adlerflug-Sohn besitzen.



Vierjährig noch mal gut gesteigert: Ito mit Jockey Filip Minarik
(Fotos(2): Rühl/German Racing)


Nächster deutscher Kandidat ist Singing aus dem Gütersloher Quartier von Andreas Wöhler. Im letzten Jahr noch trainiert in Frankreich von Carlos Laffon-Parias, kaufte Australian Bloodstock den Singspiel-Sohn und seitdem ist Ostwestfalen die Heimat des Pferdes. Seine beste Form zeigte er im vergangenen Jahr im Hansa Preis in Hamburg, als er sich nur dem späteren Melbourne Cup-Sieger Protectionist beugen musste. Danach verletzte sich der Hengst und pausierte, doch jetzt ist er wieder fit und well. Das zeigte er im diesjährigen Hansa-Preis, als erst kurz vor Schluss noch drei Konkurrenten an ihm vorbeirauschten. Die Abstände waren gering.
Vor Singing landete in Hamburg Sirius als Zweiter, der nach schwächeren Formen endlich mal wieder an alte Glanzzeiten anknüpfte. Dreijährig hatte sich das Pferd aus dem Stall von Andreas Löwe prächtig entwickelt, der Höhepunkt war der Sieg 2014 in eben diesem Großen Preis von Berlin. Distanz und Bahn werden passen.
Die anderen drei deutschen Kandidaten stehen hingegen in einer Außenseiterrolle. Der Routinier Girolamo und die Stute Alaskakönigin bekamen zuletzt in ähnlichen Aufgaben deutlich ihre Grenzen aufgezeigt. Amorous Adventure ist ein gutes Pferd, aber in dieser Klasse überfordert.
Ganz anders sieht die Situation beim englischen Gast Second Step aus. Trainer Luca Cumani kam Mitte der siebziger Jahre aus Italien nach Newmarket und trainiert seit 1976 mit großem Erfolg. Cumani gilt als jemand, der seine Pferde langsam aufbaut und so kontinuierlich steigert.
Der aktuelle King George-Gewinner Postponed passt in diese Kategorie und auch Second Step ging einen ähnlichen Weg, begann in Handicaps und schaffte den Sprung in die Gruppe-Kategorie. In diesem Jahr schlug er im April Telescope und Pethers Moon (der dann im Juni im Coronation Cup in Epsom, Gruppe 1 vorne war) in den Jockey Club Stakes in Newmarket. Diese Form bestätigte der Dalakhani-Sohn mit einem zweiten Platz in den Princess of Wales’s Stakes hinter dem damaligen Außenseiter Big Orange, der zudem in der letzten Woche im Goodwood Cup über weite 3219 Meter triumphierte.
Das sind schon echte Referenzen. Im Sattel von Second Step wird Jamie Spencer sitzen – der Mann, der zuletzt mit Big Orange vor ihm war.



Andrasch Starke jubelte in Hamburg: Nutan galoppierte und galoppierte
seine Gegner in die Chancenlosigkeit.


Urteil
Der 125. Große Preis von Berlin sollte ein echter Test für Nutan und die Güte des Derbyjahrgangs werden. Ito, Singing, Sirius und nicht zuletzt der englische Gast Second Step sind harte Gegner. Aber nach dem Hamburger Eindruck, den Gewichtsvorteilen und Andrasch Starke im Sattel könnte es für Nutan klappen. Von der Quote interessiert mich zudem Sirius. Mein Tipp: Einlauf mit Nutan und Sirius (natürlich hin und zurück).



Donnerstag, 6. August 2015
Das Bundesliga-Orakel 15/16: Banale Fragen, kluge Antworten
Lange ist auf diesen Seiten nichts mehr in Sachen Fußball passiert. Keine WM, keine EM, nur als kleines Trostpflaster U 21-EM und Frauen-WM. Doch letztere lief überwiegend nachts und fand damit für den Chronisten nur am Rande statt. Aber jetzt geht es wieder los: Die Sonderhefte sind erschienen, Zweite und Dritte Liga kicken wieder und auch die Bundesliga startet am 14. August. Und dieses Wochenende gibt es als passende Vorspeise die erste Hauptrunde im DFB-Pokal. Die wichtigsten Antworten zur Bundesliga-Saison 2015/2016.

Was erreicht Borussia Dortmund in dieser Saison?
Die wichtigste Antwort sofort: Schlimmer als die Hinrunde 2014/2015, als der BVB auf einem Abstiegsplatz überwinterte, kann es nicht mehr werden. Borussia hat bekanntlich einen neuen Trainer namens Thomas Tuchel, der die Gallionsfigur Jürgen Klopp ablöste. Tuchel bekommt von mir viel Zeit, bis mindestens Weihnachten hat er Schonfrist. Ich bin schon gespannt, was der akribische System-Tüftler aus dem BVB-Team herausholt. Aber die Klopp-Jahre waren besonders in den Jahren 2010 bis 2013 die beste Zeit meines schwarz-gelben Fandaseins, das wird schwer zu toppen sein. Die direkte Champions League-Qualifikation wäre dennoch schön und vielleicht kann der BVB ja die Bayern ein wenig ärgern.

Schafft Hendrik Mkhitaryan endlich den Durchbruch beim BVB?
Ein hochbegabter Mittelfeldspieler, doch im letzten Jahr war der Armenier das Sinnbild der BVB-Krise. Besonders in der Hinrunde schlich er meist mit gesenktem Kopf über den Platz. Nichts gelang, eine unendliche Bürde schien sein Spiel fast zu erdrücken. In der Rückrunde wurde es dann es besser, da zeigte er manchmal, welche großartiges Potenzial in ihm technisch und strategisch steckt. Zum Beispiel nach seiner Einwechslung beim DFB-Pokalhalbfinale in München. Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz verloren und prognostiziere Mkhitaryan eine starke Saison, die ihn mindestens in die Internationale Klasse der kicker-Rangliste befördern wird.

Steht Bayern München Ostern schon wieder als Meister fest?
Könnte sein, wäre aber nicht schön. Natürlich haben die Münchner den besten Kader aller Bundesligisten, aber ihre Überlegenheit der letzten drei Jahre hat die Bundesliga nicht gerade attraktiv gemacht. Das Schöne an den Bayern ist zudem das Unruhe-Potenzial im Umfeld. Mein Eindruck ist beispielsweise, dass viele Journalisten nur auf Patzer von Trainer Pep Guardiola warten. Dann wird abgerechnet, dann wird der FC Hollywood wieder seinem Namen gerecht. Ist ja auch ein komischer Typ, der Pep. Gibt keine Einzel-Interviews und hat keine Hofjournalisten, den er etwas exklusiv steckt. Da sind BILD und co. ziemlich nachtragend.

Mario Götze: Wird er bei den Bayern noch glücklich?
Der arme Mario! Die meiste Zeit sitzt er bei den Bayern nur auf der Ersatzbank und dann redet Pep noch nicht mal mit ihm. Wer jetzt meint, ich habe Mitleid mit dem ehemaligen Dortmunder, der liegt falsch. Der Wechsel nach München war doch seine eigene Entscheidung (bzw. die seines Beraters) und so richtig überzeugt hat Götze bei den Bayern auch nicht. Der in Sachen FCB meist gut informierte kicker munkelt von einem „Missverständnis“ (weil Guardiola 2013 lieber
Neymar haben wollte) und schreibt, dass ein Wechsel noch in dieser Transfer-Periode (bis Ende August) „wahrscheinlich scheint“.

Was macht Schalke?
Es herrscht ein wenig Aufbruchstimmung auf Schalke. Im wesentlich verantwortlich dafür ist der neue Trainer Andre Breitenreiter, der vom Abstieger Paderborn kam. Sein Vorgänger Roberto di Matteo war ein Fehlgriff, viel schlimmer als unter dem Italo-Schweizer, der immerhin mal die Champions League gewann, kann es aber auch nicht werden. Dazu scheint sich das Team mit Geis, Di Santo und dem Brasilianer Caicara gut verstärkt zu haben, zudem kommen mit Draxler und Goretzka lange verletzte Spieler zurück. Da juchzt das königsblaue Herz und träumt von neuen Großtaten. Doch die Stimmung kann auf Schalke schnell drehen, dann werden vermeintliche Hoffnungsträger schnell zu Buhmännern. Und die Schlagzeilen der BLÖD-Zeitung werden das Klima weiter aufheizen.

Steigt der HSV diesmal ab?
Liebe Hamburger Fans, zweimal mal am Abgrund 2. Liga gekratzt, zweimal mit viel Glück in der Liga geblieben. Eigentlich müsstet ihr doch längst gegen Heidenheim, Sandhausen oder den Lokalrivalen St. Pauli in der 2. Liga spielen. Viele bekannte Namen wie van der Vaart, Westermann oder Jansen sind nicht mehr da, aber diese Leute standen auch für die sportliche Krise des Dinos. Und jetzt wird alles gut? Mal schauen, ob Trainer Bruno Labbadia noch im Amt ist, wenn der HSV im Oktober am Tabellenende ist. Ob dann die gleiche Prozedur wie in den Vorjahren läuft?. Trainer raus, neuer Trainer rein. Oder ob die Verantwortlichen schlau geworden sind und merken, dass erfolgreiche Vereine viel mit Kontinuität verbindet.

Wie schneiden die Neulinge Ingolstadt und Darmstadt ab?
Beide Aufsteiger haben vieles gemeinsam: großartige Trainer wie Ralph Hasenhüttl (Ingolstadt) und Dirk Schuster (Darmstadt), ein ruhiges Umfeld, Kontinuität und einen starken Mannschaftsgeist. „Der Star war hier die Mannschaft“, um den alten Berti-Vogts-Spruch mal wieder wiederzugeben.
Ihr Erfolg ist auch ein Schlag ins Gesicht mancher Traditionsvereine wie etwa Nürnberg oder München 60. Bei diesen Klubs herrscht immer Theater, ein Ergebnis sind permanente Personalwechsel.
Besonders der Aufstieg der Darmstädter ist ein kleines Fußballwunder: 2013 sportlich schon aus der Dritten Liga abgestiegen und nur durch den Lizenzentzug von Kickers Offenbach die Klasse gehalten, 2014 der Aufstieg in die Zweite Liga und jetzt der Durchmarsch in die Eliteklasse. Das mit einem Team von Unbekannten und anderswo Aussortierten, solche Geschichten liebe ich im Fußball. Der Klassenerhalt wäre das nächste Wunder.
Ingolstadt könnte langfristig ähnlich erfolgreich agieren wie der FC Augsburg. Aber dafür muss erstmal die Liga gehalten werden.