Donnerstag, 14. Mai 2015
Favoriten bringen Unglück
Wetter sind abergläubisch. Ich bin da keine Ausnahme. So ist es seit gewisser Zeit ein schlechtes Zeichen, wenn ein am Mittag hoffnungsvoll ausgetüftelter Wett-Tipp im Laufe des Renntages auf einmal von vielen anderen geteilt wird und dieses Pferd richtig gewettet wird. Oder noch schlimmer: Der eigene Tipp avanciert zum Favoriten in einem dieser englischen Mega-Handicaps. Diese Wette scheitert garantiert – so war es auch gestern.

Am Mittwoch begann das Dante-Meeting im englischen York. Die Pferderennen auf der Vorzeigebahn im englischen Norden sind immer eine Empfehlung wert. Ich mag die Bahn, zumal ich dort schon einige schöne Treffer hatte.
Die meisten Prüfungen auf dem Knavesmire sind sowohl quantitativ als auch qualitativ stark besetzt. Speziell die Handicaps zählen zur hohen Schule der Pferdewette. Dafür gibt es attraktive Quoten, Erfolge lohnen sich also.
So war es auch gestern. Wie häufig habe ich mittags ein paar Tipps beim Buchmacher abgegeben und dann die Rennen am Nachmittag am Computer verfolgt. Konkret: Siegwetten auf Satellite im ersten Rennen, Another Wise Kid in einem dieser ultraschwierigen Sprint-Handicaps, Lightning Moon im Gruppe 2-Sprint sowie Ribblehead im abschließenden Handicap. Dazu kam noch eine Siegschiebe mit den Pferden Lightning Moon und Ribbleshead.
Gut, Satellite und Another Wise Kid waren nur chancenreiche Außenseiter und spielten dann auch keine große Rolle in ihren Prüfungen. Bei Lightning Moon war ich zuversichtlicher. Obwohl es in den Sprints immer ziemlich eng hergeht und in dieser Prüfung ziemlich viele chancenreiche Kandidaten am Start waren: Astaire, Muthmir, Naadirr oder Lucky Kristale etwa. Doch die Leute wetteten alle den noch ungeschlagenen Schützling von Ed Walker, der sich bei allen Starts kontinuierlich verbessert hatte und als Kandidat für noch höhere Weihen galt. Nicht umsonst hat Godolphin ihn gekauft, jedoch bei Walker im Training belassen. Als 50:10-Favorit ging Lightning Moon ab, hatte auch ein reelles Rennen (also kein Grund, den Jockey zu beschimpfen), war aber ohne Chance. Es siegte ein 40:1-Schuss namens Glass Office.

Days Steamer
Bei 130 oder mehr stand Ribblehead am Mittag. Da musste der Kolumnist zugreifen, zumal die Formen gut waren und der Name Easterby in York immer beachtet werden muss. Für Trainer Tim Easterby (und seinen Onkel Mick Easterby) sind die Rennen auf dem Knavesmire quasi Heimspiele, die sie gewinnen wollen.
Das gleiche Wissen teilten jedoch unzählige andere Zocker. „Ribblehead ist das best gewettete Pferd des Tages“, berichtete der Racing UK-Reporter aus dem Wettring. Oder wie es im Englischen so schön heißt: „The days steamer“. Kein Wunder, der Hengst hatte gute Formen und Clipper Logistics, die Besitzer, sponserten den Gruppe-Sprint auf der Bahn. Da wäre es schön, wenn man sich Sponsorgelder durch Siegprämien teilweise zurückholen könnte. Am Ende ging Ribblehead zu einem Kurs von 80:10 ab.
Auf der Bahn war er jedoch chancenlos und mit Platz 10 deutlich geschlagen. Kein schlechtes Rennen, kein großer Fehler des Jockeys – einfach nicht gut genug an diesem Tag.
Umgekehrt – Pferd mittags gewettet, vor dem Rennen geht der Kurs hoch und höher – habe ich zuletzt hingegen gute Erfahrungen gemacht. Beim Cheltenham-Festival zum Beispiel. Es war vorher eine Zeit des Leidens – kein Tipp kam an, den Kolumnisten neigten schon arge Selbstzweifel. Aber als die Verzweiflung immer größer wurde, kam am Freitag die Rettung in Form von Martello Tower in der Albert Bartlett Hurdle. Eigentlich hatte der Gast aus Irland nach den Vorformen allererste Chancen, doch die Masse bevorzugte andere. Auf 150:10 ging das Pferd von Margaret Mullins hoch – und gewann überzeugend. Und mein Festival war halbwegs gerettet.



Dienstag, 12. Mai 2015
Phar Lap: Eine australische Ikone
Teil 2 unserer Serie über große Galopper. Diesmal steht Phar Lap im Blickpunkt – ein Pferd, das zwischen 1929 und 1932 einen ganzen Erdteil elektrisierte und den Sprung in die australische Hall of Fame des Galopprennsports schaffte. Um seinen Tod gab es jahrelang Spekulationen – erst 2010 fanden Forscher heraus, dass Phar Lap an einer Arsenvergiftung starb. Der Text basiert auf einem Artikel von Jutta Lindner, der zuerst in der Facebook-Gruppe Galopp Info veröffentlicht wurde.

Doch immer noch bleiben Fragezeichen um den Tod: Denn nach so vielen Jahren sei nicht mehr festzustellen, ob das Pferd von Neidern vergiftet wurde oder an der Überdosierung eines damals zur Leistungssteigerung verwendeten arsenhaltigen Mittels starb. „Dies wird wohl immer ein Mysterium bleiben“, betonte Ivan M. Kempson, federführender Autor der Studie.
Phar Lap kam 1926 in der Nähe der neuseeländischen Stadt Timaru zur Welt. Sein Vater war der 1919 in England geborene Night Raid. Dieser lief in England und Australien, war aber nicht gerade eine Leuchte auf der Rennbahn. Gerade mal zwei Siege und eine Platzierung bei 25 Starts waren eine eher magere Bilanz.
Dafür war der Radium-Sohn als Deckhengst in Australien umso erfolgreicher. 13 Gruppesieger setzte Night Raid in die Welt. Seine besten Nachkommen waren Nightmarch, ein Gewinner des Melbourne Cups, und eben Phar Lap.
Auch mütterlicherseits war Phar Lap nicht unbedingt ein Blaublut: Entreaty blieb bei ihrem einzigen Start unplatziert. So kostete der Sohn auf der Auktion 1928 gerade mal 160 Guineas. Sein neuer Besitzer hieß David J. Davis, Trainer Harry Telford hatte den in Australien lebenden Geschäftsmann aus den Vereinigten Staaten überzeugt, den Hengst zu kaufen. Er kam zu Telford nach Sydney ins Training.
Dem Vernehmen nach war Davis entsetzt, als er zum ersten Mal „sein Pferd“ in echt sah. Phar Lap war nicht gerade eine Schönheit. So war sein Gesicht beispielsweise mit Warzen überzogen. Davis wollte ihn nicht, Trainer Harry Telford stieg quasi als Mitbesitzer ein. Um damit sich Phar Lap besser auf die Rennen konzentriert, wurde er zum Wallach.
Bei den ersten Starts landete er dann auch im geschlagenen Feld. Erst im fünften Versuch legte er seine Maidenschaft ab und gewann ein RRC Maiden Juvenile Handicap.

Seriensieger
Erst mit zunehmendem Alter und längeren Distanzen wurde der fuchsfarbene Wallach richtig gut. 1929 triumphierte er unter anderem sowohl im Australia Derby als auch im Victoria Derby. Der erste Versuch im Melbourne Cup endete nur drei Tage nach dem Erfolg im Victoria Derby mit einem guten dritten Platz.
Ein Jahr später aber siegte Phar Lap im Melbourne Cup – der Prüfung des fünften Kontinents, bei der Australien einen Moment lang stillsteht. „Die ungewohnte gespannte Stille der Menge während des Rennens und der große Applaus, der ausbrach, als der Favorit mit großer Leichtigkeit davonzog, erzählten von einem Sieg von großer Popularität", berichtete der Sydney Morning Herald damals.
Zwischen 1930 und 1931 siegte das Pferd in 14 Rennen hintereinander. 1930 versuchte jemand, ihn zu erschießen. Vermutlich war es in Buchmacher, der durch ihn viel Geld verloren hatte.
Für sein letztes Rennen wurde er von seinem Eigentümer per Schiff nach Tijuana in Mexiko gebracht, um im Aqua Caliente Handicap zu laufen. Das Rennen am 20. März 1932 bot die höchste Börse, die zu diesem Zeitpunkt jemals in Nordamerika aufgeboten wurde.
Jedoch war Harry Telford mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und weigerte sich, mit nach Mexiko zu reisen. Kurzer Hand beförderte Davis Phar Laps bisherigen Betreuer Tommy Woodcock zum neuen Trainer.
Woodcocks Einstand glückte: Phar Lap gewann mit neuem Streckenrekord, obwohl er 58,5 Kilo tragen musste. Anschließend wurde er zu einer Ranch nach Menlo Park in Kalifornien gebracht. Dort versuchte sein Besitzer, neue Rennen für ihn zu vereinbaren.
Der Schock kam am Morgen des 5. Aprils 1932: An diesem Tag fand Woodcock den Wallach mit erhöhter Temperatur, zudem litt er offensichtlich an großen Schmerzen. Nach wenigen Stunden starb Phar Lap mit sechs Jahren, ein intensives und kurzes Rennpferdeleben fand ein trauriges und frühes Ende.

Herz im Nationalmuseum
In seiner vierjährigen Rennkarriere gewann Phar Lap 37 seiner 51 Rennen. Den dritten Versuch im Melbourne Cup 1931 beendete er als Achter, musste jedoch 68 kg tragen. Leider hatte der Wallache nie die Gelegenheit, gegen das seinerzeit führende US-amerikanische Rennpferd Equipoise, Pferd des Jahres 1932 und 1933, zu laufen.
Als der Nachricht von Phar Laps Tod Australien erreichte, trauerten viele Menschen. Einige Bücher wurden über ihn geschrieben, zuletzt kam 1983/1984 dieser Film über den berühmten Wallach in die Kinos.
Die Rennwelt ehrte Phar Lap mit einem Platz in der australischen Racing Hall of Fame, zusammen mit den Rennpferden Carbine, Tulloch, Bernborough und Kingston Town. In der Rangliste der 100 bedeutendsten Rennpferde des zwanzigsten Jahrhunderts des amerikanischen Blood-Horse-Magazins nimmt er Platz 22 ein.



Phar Lap im Museum von Melbourne (Foto: Ciell/Wikimedia Commons)

In Australien und Neuseeland gilt der Wallach, dessen Rennkarriere so mühselig begann, als nationales Heiligtum. Sein Herz befindet sich im National Museum of Australia, 1978 erschien eine Briefmarke mit seinem Konterfei. Australische Neubürger müssen in einem Einwanderungstest Fragen zu Phar Lap beantworten. Ein Denkmal schmückt seine Geburtsstadt Timure, eine Bronzestatue erfreut die Besucher der Rennbahn Flemington in Melbourne.
Es gab Spekulationen über die Ursache seines Todes, da eine Autopsie zum Vorschein brachte, dass seine Eingeweide entzündet gewesen waren. Viele glaubten, dass das Pferd vergiftet worden sei. Es gab verschiedene Theorien, von Bleivergiftung durch bleihaltige Insektizide bis zu natürlichen Ursachen wie Darmverschlingung.
Diese Fragen wurden nach achtzig Jahre zumindest teilweise beantwortet – siehe Anfang des Textes. Aber vieles bleibt rätselhaft.

Phar Lap bei Wikipedia



Montag, 4. Mai 2015
Man o’ War: Die Legende „Big Red“
„Die ganz großen Galopper“ – unter diesem Titel portraitiert nurpferdeundfussball in losen Abständen die bekanntesten Pferde der Galopp-Historie. Die Idee stammt nicht von mir, sondern von den Machern der Facebook-Gruppe Galopp Info. Den Auftakt macht ein Portrait des großen Man o’ War.

Man o’ War war unbestritten das legendärste Rennpferd des 20. Jahrhunderts in den USA. Geboren wurde er am 29. März 1917 in Lexington (Kentucky, USA). Sein Züchter hieß August Belmont II, Sohn des einflussreichen deutsch-amerikanischen Bankers August Belmont. Schon der Vater war ein großer Anhänger des Galopprennsports und gründete unter anderem den Amerikanischen Jockey-Club. Die Rennbahn Belmont Park in New York trägt seinen Namen.
Der Junior setzte das Engagement fort: Als Sohn sehr reicher Eltern verfügte August Belmont II über den notwendigen finanziellen Hintergrund, um sich auch Risiken bei seinen züchterischen Experimenten leisten zu können.
Er hatte schon den wunderschönen Hengst Fair Play (1905 geboren) gezogen und paarte diesen sehr erfolgreich mit seiner Stute Mahuhah. Ihr Vater war Rock Sand, Gewinner der englischen Triple Crown; 1906 holte Belmont ihn für den damals sagenhaften Preis von 125.000 Dollar aus England in sein Gestüt.
Am 29. März 1917 ging aus der Verbindung Fair Play / Mahuhah ein Hengstfohlen hervor. Obwohl Belmont sonst immer dabei war, wenn es Nachwuchs gab, war er ausgerechnet bei dieser Geburt in New York. Der damals schon über 60 Jährige unterstützte sein Land im ersten Weltkrieg, in dem er sich um die Ausbildung und den Transport von Armeepferden kümmerte. Belmonts Frau gab daher dem neugeborenen Fohlen den Namen: My Man o’ War.
Mit fortschreitendem Krieg benötigte die Armee immer mehr Pferde und so begann auch Belmont, einige seiner Pferde zu verkaufen. Jetzt kam Louis Feustel, ein sehr guter Pferdetrainer, ins Spiel. Feustel arbeitete für die Glen-Riddle Farm in Pennsylvania und hatte schon früh ein Auge auf die Belmont-Pferde geworfen. Er empfahl seinem Arbeitgeber, diese zu kaufen.

Nationaler Held
Samuel Riddle wollte sich zunächst nicht mit diesem Gedanken anfreunden, kaufte dann aber doch auf Betreiben seiner Frau am 17. August den jungen Man o’ War. Kaufpreis waren 5000 Dollar. Dass der Hengst ihm einmal ein Vielfaches dieser Summe einbringen würde, ahnte Sam Riddle damals nicht.
Schon als Fohlen fiel Man o’ War durch seine sehr langen Beine auf. Louis Feustel trainierte ihn während der darauffolgenden zwei Jahre. Sein erstes Rennen lief Man o’ War am 6. Juni 1919 und gewann bereits dort mit sagenhaften sechs Längen Vorsprung. Drei Tage später verzeichnete er seinen zweiten Sieg. Man wurde schnell auf ihn aufmerksam und begeisterte sich für seine geschmeidige Gangart.
Auch in den folgenden vier Rennen blieb Man o’ War ungeschlagen. Spätestens jetzt hatte er nationalen Ruhm erlangt. Der Hengst verlor nur ein einziges Rennen, das Sanford Memorial am 16. August 1919. Seinerzeit gab es Gerüchte, dass Absprachen der eigentliche Grund für den 2. Platz von Man o’ War gewesen seien. Dieser Vorwurf wurde jedoch nie geklärt.



Die Gegner außer Sichtweite: Man o'War bei seinem Sieg im Stuyvesant Handicap 1920 (Foto Charles Cook/Wikimedia Commons)

Zweijährig startete Man o’ War in zehn Rennen. Neun gewann er, eins davon mit mehr als 100 Längen Vorsprung. Er war bereits damals eine Legende; landesweit liebten ihn die Menschen.
Dreijährig nahm Man o’ War an elf Rennen teil und siegte genauso oft. Eine regelrechte Hysterie brach aus, die Begeisterung kannte keine Grenzen mehr. Glücklicherweise behielten Besitzer Riddle und Trainer Feustel einen klaren Kopf bei diesen Erfolgen.
Es gab Neider und Drohungen übelster Art, außerdem sorgten zahlreiche aufdringliche Fans für Unruhe. Das Pferd musste ständig bewacht werden. Hinzu kam, dass die Handicapper ihm bei jedem Rennen mehr Gewicht auflegten.

Beste Freunde
Dann kam es zum Knall: Man o’ War sollte gegen seinen größten Konkurrenten, Exterminator laufen, dabei allerdings zwischen 145 und 150 Pfund Gewicht tragen. Daraufhin nahm Riddle das Pferd aus dem Rennsport, obwohl man ihm für das Rennen 50.000 Dollar versprochen hatte.
Man o’ War, der schon früh den Spitznamen „Big Red” (wegen seiner Fellfarbe) erhalten hatte, konnte sein Dasein nun friedlich auf dem Gestüt seines Besitzers verbringen. Will Harbut, ein Mitarbeiter von Samuel Riddle, wurde sein Betreuer. Man gestattete allen Interessierten, Man o’ War zu besuchen. In der Zeit bis zu seinem Tod im Jahre 1947 sollen ihn zwischen 1,5 und 3 Millionen Menschen besucht haben. Er war so berühmt in den USA, dass sein 21. Geburtstag im Radio übertragen wurde
Natürlich war er als Deckhengst aktiv. Viele seiner Nachkommen waren sehr erfolgreich: Insgesamt 64 Stakes-Sieger zeugte Man o’ War, darunter den Triple Crown-Sieger War Admiral. Und auch seine Töchter brachten viele erfolgreiche Nachkommen zur Welt.
Oft erhielt Samuel Riddle unglaublich hohe Angebote für sein Siegerpferd, doch er verkaufte es nicht. Selbst die sagenhafte Offerte eines Texaners von einer Million Dollar schlug er aus.
In der Zeit nach den legendären Pferderennen waren Man o’ War und sein Betreuer Willi Harbut unzertrennlich. Harbut liebte und verehrte das Pferd über alle Maße. Offensichtlich empfand das Pferd auch für ihn Zuneigung. Genau zwei Wochen nach Harbut’s Tod starb auch Man o’ War am 1. November 1947.
Mehr als 2000 Menschen wohnten der Beerdigung bei, live übertragen im Radio. Sein Grab erhielt der legendäre Man o’ War auf seiner Weidekoppel.
1976 übersiedelte das Grab und das Denkmal Man o' Wars in den damals neu gegründeten Kentucky Horse Park im Norden von Lexington. Hier hat Man o' War nun seinen Platz für alle Zeiten erhalten.