Donnerstag, 5. Februar 2015
BVB in der Angst-Falle
Am Ende gab es Pfiffe in einer Stärke, die ich schon lange nicht mehr bei Heimspielen von Borussia Dortmund gehört habe. Die 0:1-Niederlage des BVB gegen den FC Augsburg führte zu heftige Reaktionen: Selbst von der Südtribüne, wo ich stehe, kam ein wütendes Pfeifkonzert.

Die Dortmunder spielten an diesem Abend wie ihr letzter Tabellenplatz suggeriert. Am Anfang gab es ein paar gelungene Spielzüge, doch spätestens nach dem Augsburger Führungstreffer wirkte Borussia nur noch ratlos und verkrampft. Selbst gegen zehn Augsburger fand die immer noch gut besetzte BVB-Mannschaft kein Mittel gegen sehr gut organisierte Gäste.
Allerdings kann ein Dortmunder Team schlecht spielen. So lange es gegen die Niederlage kämpft, verzeiht der BVB-Anhänger einiges. Zumal die Klopp-Schützlinge aufgrund der starken sportlichen starken Leistungen der letzten Jahre immer noch hohen Kredit bei den Anhängern genießen. Doch am gestrigen Abend vermisste nicht nur ich das letzte Aufbäumen.
Normalerweise müsste eine Mannschaft auf dem letzten Tabellenplatz doch brennen und jedem zeigen, dass sie viel besser ist. Theoretisch – doch in der Realität spielen so Dinge wie die Psyche eine große Rolle. Auf einmal trauen sich selbst gestandene Nationalspieler nichts mehr zu, haben sie Angst vor einem Fehler. Und den BVB wirkte gestern nach dem 0:1 zeitweise wie gelähmt.

Psychologe gefragt
Dortmund in der Angst-Falle. So richtig klug werde ich so und so nicht aus der Mannschaft: Die gleichen Spieler überzeugten in der Champions League und in den Heimspielen gegen Gladbach, Hoffenheim oder auch Wolfsburg. Auf der anderen Seite agierte das Team ganz schwach beispielsweise gegen den HSV, in Bremen oder Berlin und jetzt gegen Augsburg.
Auch Trainer Jürgen Klopp wirkt so ratlos wie noch nie in seiner so erfolgreichen Dortmunder Zeit. Da hat auch die Winterpause mit kompletter Vorbereitung nichts verändert. Noch schlimmer – die Mannschaft wirkte gestern noch gehemmter und wenig selbstbewusst. Irgendwie bräuchte das Team jemanden, der diesen Verkrampfungs-Knoten durchschneidet. Wer, das ist eine interessante Frage.
Jedenfalls wird der BVB so schnell da unten nicht rauskommen. Etwas, was auch der Kolumnist nicht erwartet hat. Für wegen nur ein Kratzer wie ich im Herbst noch dachte.
Eine ganz andere Saison spielt der FC Augsburg. Auch in diesem Jahr hat der FCA nichts mit dem Abstieg zu tun – die Richtung geht so gar Richtung Europa. Alles mit Mini-Etat und trotz des Verlustes von Spielern, die zu besser bezahlenden Vereinen wechselten. Respekt! Auch in Dortmund trat das Team von Trainer Weinzierl sehr selbstbewusst und offensiv auf, der Sieg war verdient. Alles auch eine Frage der Psychologie, denn auf dem Papier hat der BVB mit seinen zahlreichen Internationalen klar das bessere Team. Aber eben nur theoretisch.



Montag, 26. Januar 2015
Ein Hoch auf den Hurricane
Es ist an der Zeit, dass diese Kolumne mal wieder ein Pferd feiert: Hurricane Fly gewann seine fünfte Irish Champion Hurdle in Serie, schlug unter anderem seinen alten Rivalen Jezki und sorgte für großen Jubel auf der Rennbahn in Leopardstown. Welch ein Athlet!

Der sonntägliche Sieg war harte Arbeit. Denn unterwegs sah es gar nicht so gut aus. Jockey Ruby Walsh musste schon im Bogen etwas auf Hurricane Fly arbeiten, während Tony Mc Coy auf Jezki noch ruhig saß. Auch in der Zielgerade ging der Rivale besser. Doch auch mit 11 Jahren gibt sich der Hurricane so schnell nicht geschlagen. Und als dann Jezki am letzten Hindernis strauchelte, war der Weg frei für den Schützling von Trainer Willie Mullins. Allerdings hätte der Hurricane auch ohne das Missgeschick seines Kontrahenten gewonnen. Zweiter wurde Arctic Fire, ebenfalls aus dem Mullins-Stall, für Jezki blieb nur Platz 3.
Der Empfang danach für den Sieger war frenetisch. Nirgendwo werden große Sieger so gefeiert wie in Irland – das ist zumindest mein Eindruck. Selbst als Zuschauer am Bildschirm bekomme ich dabei feuchte Augen. Aber seht selbst…(das Dank für dieses Video geht an Peter Busch).



Dabei sah es in der letzten Saison schon so aus, als wenn sich die großartige Karriere von Hurricane Fly so langsam dem Ende zuneigt. Zweimal hatte ihn Jezki geschlagen, erst in der Champion Hurdle in Cheltenham und dann noch mal in Punchestown. Doch der „alte Herr“ fand eine Antwort: Dreimal trafen die beiden Rivalen in dieser Saison aufeinander und jedes Mal hatte Hurricane Fly die Nase vorn.

Wie Kauto Star und Big Buck's
Es ist die Bilanz eines Superstars: Der Sieg in Leopardstown war der 22. Grade 1-Erfolg, darunter auch zwei erste Plätze in der englischen Champion Hurdle in Cheltenham. Und nicht nur für Jockey Ruby Walsh zählt Hurricane Fly zu den ganz Großen des Hindernissports: Er vergleicht den Wallach mit Kauto Star und Big Buck's, zwei der besten Pferde, die Walsh geritten hat.
Nächstes Ziel für den Montjeu-Sohn ist die Champion Hurdle in Cheltenham. Wie so häufig in den Jahren zuvor scheint der Stall von Willie Mullins auch 2015 bestens gerüstet. Faugheen oder Hurricane Fly lautet die Frage für Ruby Walsh, wen er denn reiten soll. Keine leichte Entscheidung, Ex-Kollege Charlie Swan empfiehlt übrigens den jüngeren Faugheen, noch ungeschlagen und der kommende Star für die Champion-Rennen.
Der Sonntag war mal wieder ein großer Tag für den Mullins-Stall: Un de Sceaux gewann die Frank Ward Solicitors Arkle Chase (das zweite Grade 1-Rennen auf der Karte) und beeindruckte alle. Es waren zwar nur zwei Gegner, aber wie das Pferd mit dem unaussprechlichen französischen Namen die sehr guten Clarcam und Gilgamboa in Schach hielt, das war ganz großes Kino.
Unter 20 steht er bei den Bookies inzwischen für die Arkle Chase in Cheltenham. Für viele wird der Wallach der Banker des Festivals sein. Das ist schon Wertschätzung genug.



Mittwoch, 21. Januar 2015
Der lange Weg zu La Roja
Die letzte Weltmeisterschaft in Brasilien war ein dicker Dämpfer für die spanische Nationalmannschaft. Das Aus in der Vorrunde erinnerte an alte Tage – die vor dem EM-Titelgewinn 2008. Jimmy Burns erzählt in „La Roja“ eine Geschichte des spanischen Fußballs. Die letzte Entwicklung fehlt in dem 2013 erschienenen Buch. Doch ansonsten bietet La Roja alles, was den Kick aus dem Land des Stierkampfes in seiner wechselvollen Historie prägte.

Ältere werden sich erinnern: Der spanische Fußball hinterließ jahrelang ratlose Beobachter. Denn die Nationalmannschaft verabschiedete sich vor 2008 spätestens im Viertelfinale einer Welt- und Europameisterschaft. Dabei waren Teams wie Real Madrid oder der FC Barcelona hocherfolgreich in den europäischen Klub-Wettbewerben.
Die Ursachen waren vielschichtig: Das Nationalteam scheiterte an unfähigen Trainern, an Animositäten zwischen Katalanen, Basken oder Kastiliern oder einfach an Pech und Unvermögen. Erst 2008 änderte sich dies bekanntlich, als Spanien Europameister wurde. Es folgten Weltmeisterschaft und noch mal der europäische Titel. Und alle Welt schwärmte vom Tiki Taka, dem spanischen Spielstil.
Es war ein langer Weg zu „La Roja“, übersetzt die Rote und der Kosename des Teams. Die erfolgreiche Nationalmannschaft schweißte nach den Beobachtungen des Autors eine Nation zusammen. Der spanische Bürgerkrieg in den 30er Jahren und die anschließende Franco-Diktatur hatten die Gräben zwischen den einzelnen Volksgruppen verschärft. Katalanen und Basken strebten nach Autonomie. Alles was mit dem zentralistischen Spanien zu tun hatte, hatte einen schweren Stand in diesen Landesteilen.
Burns erzählt die Geschichte des spanischen Fußballs streng chronologisch – von den britischen Anfängen über die Zeit des Bürgerkriegs, der folgenden Rechts-Diktatur, der Demokratie nach dem Tod des Faschisten Franco bis zur heutigen Zeit.

Stärken
Burns ist ein sehr lebhafter Schreiber. Bei manchen seiner Schilderungen fühlt sich der Leser so, als wenn er mittendrin wäre. Besonders stark sind die historischen Teile: die Zeiten des Bürgerkrieg, die spätere Rivalität zwischen dem (angeblichen) Franco-Verein Real Madrid und dem katalanischen Widersacher FC Barcelona. Besonders bei Barca und den Katalanen blüht Burns auf. Kein Wunder, der Mann hat eine immer noch sehr lesenswerte Barca-Biografie verfasst. Aber auch die Kapitel über Real Madrid und den Fußball im Baskenland sind fesselnd und faktenreich.

Schwächen
Eigentlich eher Kleinigkeiten: Die Eitelkeit des Autors nervt etwas, wenn er mal wieder auf ein höchst exklusives Gespräche verweist. Auch finde ich den Teil über Real Madrid in der Ära Butragueno und Michel schwächer, zumal die Beiden Spieler meine Generation waren und ich mich an einige packende Spiele in den 80er Jahren erinnere. Manchmal nervt zudem die Heldenverehrung von Nationaltrainer Vicente Del Bosque. Etwas mehr Distanz wäre da ganz schön.

Urteil
Trotz der kleinen Schwächen ist das ein sehr gutes Werk. Pflichtlektüre für alle, die den spanischen Fußball verstehen wollen.

Jimmy Burns: La Roja. Eine Geschichte des spanischen Fußballs