Donnerstag, 18. September 2014
Kaldera auf den Spuren von Hey Little Görl
Was sind Sea The Moon, Australia oder der Arc schon gegen den 7. Großen Preis von DSW 21, das Deutsche St. Leger? Immerhin ist das auch ein Gruppe 3-Rennen über weite 2800 Meter und eigentlich ein Klassiker, allerdings auch in Deutschland längst für ältere Pferde geöffnet. Zudem findet die Prüfung auf meiner Heimatrennbahn in Dortmund statt. Deshalb hängen viele Erinnerungen an diesem Rennen. Starter und Chancen 2014

1. Macbeth (Trainer Michael Appleby/Jockey Andrew Mullen): Handicapper aus England, auch schon über Hürden unterwegs, die letzten Formen reichen aber nicht aus.

2. Ostinato (Trainer Andreas Löwe/Jockey Daniele Porcu): Seit 2014 im Training bei Andreas Löwe, vorher in Ungarn vorbereitet, deutlich geschlagen beim einzigen Jahresstart im Badener Steher Preis. Auch die Formen aus dem Vorjahr überzeugen nicht unbedingt.

3. Rock of Romance (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Eddie Pedroza): Nur die letzte Form aus Frankfurt war schwach, ansonsten aber ein sehr formbeständiger Steher und in Bestform ein Siegkandidat.

4. Pipita (Trainer Ralf Paulick/Jockey Koen Clijmans): Zuletzt zweifache Ausgleich 3-Gewinnerin in Leipzig und Hoppegarten. Steherdistanzen sind ihr Ding. Auch wenn die Stute noch etwas Reserven haben könnte, der Sprung vom Ausgleich 3 in ein Gruppe 3-Rennen ist doch gewaltig.

5. Special Meaning (Trainer Mark Johnston/Jockey Francis Norton): Listensieger aus England, zuletzt mit ordentlichen Leistungen in guten Handicaps. Einmal Dritter und nur knapp geschlagen über 2800 Meter. Kein Problem mit der Distanz, sehr gefährlicher Kandidat aus dem Stall, der vor drei Jahren mit Fox Hunt triumphierte.



2011 siegte Fox Hunt aus dem großen englischen Stall von Mark Johnston. Folgt ihm 2014 Special Meaning. (Foto: uk)

6. Best Fouad (Trainer Mathieu Le Forestier/Jockey Zoe Pfeil): Wenig geprüfter Dreijähriger aus Frankreich und bislang nur auf schwerem oder weichem Boden am Start. Zuletzt Zweiter in einem Listenrennen in Deauville über 2500 Meter auf schwerem Boden, Platz 3 belegte der Deutsche Karltheodor. Schwer einzuschätzen.

7. Ephraim (Trainer Markus Klug/Jockey Andreas Helfenbein): Dreijährig, kam immerhin als zweiter Favorit im Baden Badener Auktionsrennen an den Ablauf, enttäuschte dort aber als Letzter. Vorher aber mit ordentlichen Formen, auch wenn die siegreichen Pferde wie Ito danach diese Form nicht bestätigten. Muss sich deutlich steigern, Distanz ist noch ein Fragezeichen.

8. Firestorm (Trainer Peter Schiergen/Jockey Adrie de Vries): Der nächste Dreijährige, beste Formen als knapp geschlagener Zweiter zweimal in der Schweiz (unter anderem im Schweizer Derby), noch nie über 2800 Meter gelaufen, andere Kandidaten überzeugen mehr.

9. Kaldera (Trainer Paul Martin Harley/Jockey Eddy Hardouin): Siegerin im Badener Steherpreis, lief dort wie geboren für diese lange Strecke. Auch vorher mit ordentlichen Formen. Eddy Hardouin sitzt wieder im Sattel und mit dem günstigen Gewicht als dreijährige Stute eine Kandidatin für den Sieg.

10. Virginia Sun (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Stephen Hellyn): Erst viermal in ihrem Leben gelaufen und davon dreimal gewonnen. Auch zuletzt als Dritte im Badener Stutenpreis überzeugend. Weiteste Distanz bislang 2200 Meter, aber Halbschwester zum guten Steher Valdino und Vater Doyen hatte ebenfalls reichlich Stamina. Sehr gute Chancen.


Urteil
Wie so häufig und wie auch im letzten Jahr gewinnt eine dreijährige Stute. Kaldera lautet der Tipp dieser Kolumne, der meiste Widerstand wird von Virginia Sun, Special Meaning und Rock of Romance kommen.



Dienstag, 16. September 2014
Das Recht zu pfeifen
Manchmal nerven Medien und Öffentlichkeit einfach nur. Zum Beispiel wenn sie den Moralapostel mimen und das Verhalten anderer brandmarken. Etwa die Tatsache, dass der Fußball-Fan abtrünnige Spieler wie Mario Götze und Manuel Neuer bei ihrer Rückkehr an die alte Wirkungsstätte nicht mehr auspfeifen soll. Das ist totaler Humbug – die Fans, die im Gegensatz zu diesen Söldnern ihrem Verein auch in schlechten Zeiten folgen, haben ein Recht zu pfeifen.

Zum Beispiel Mario Götze. Der hochbegabte Nationalspieler und neuerdings „WM-Held“ gilt nach seinem dubiosen Wechsel von Borussia Dortmund zum Erzrivalen Bayern München quasi als unerwünschte Person in Dortmund. Und zu Recht: Götze stärkte mit seinem Wechsel einen Mitkonkurrenten und verdient keine Nachsicht. Wenn er nach Madrid oder Manchester gewechselt wäre, dann wäre das in Ordnung gewesen. Aber FC Bayern? Vielleicht betrachtet er das Mehrgeld, das er dort verdient, einfach als eine Art Schmerzensgeld. Und mit Pfiffen muss er als Profi leben. Da kann BVB-Boss Hans-Joachim Watzke noch so sehr um Nachsicht betteln. Auch in den nächsten Jahren bleibt Mario Götze ein rotes Tuch bei Schwarz-Gelb.

Ob Weltmeister oder nicht
Zum Beispiel Nationalkeeper Manuel Neuer, seit 2011 ebenfalls beim Rekordmeister aus München. Auch heute pfeifen ihn die Schalker Anhänger immer noch aus, wenn er mit dem FC Bayern in die Arena zurückkehrt. „Fies und kleingeistig“ nennt Hermann Beckfeld diese zuschauer.
Beckfeld ist Chefredakteur der in Dortmund erscheinenden Tageszeitung Ruhr-Nachrichten und schreibt in der Wochenend-Ausgabe des Blattes immer Briefe an bekannte Personen. Die sind ein Highlight der Ausgabe und immer eine lohnende Lektüre, weil Beckfeld ein sehr guter Schreiber ist. Inhaltlich teile ich nicht alles – und in Sachen Neuer liegt der Herr Chefredakteur einfach mal falsch.
Zumal er schon am Anfang ziemlich auf die Emotionen seiner Leser schielt. „Lieber Manuel…..„für die (Schalker Fans) waren Sie der Judas, der Schalke verraten, der seine Leidenschaft für die Knappen verkauft hat.“
Dann geht es richtig auf die Tränendrüse. Der Weltmeister, der immer ein Schalker geblieben ist. Der heute noch zu den Schalker Fans winkt. Der Junge, der einst in der Nordkurve stand. Der extra früher ins Stadion kam, um Jens Lehrmann beim Aufwärmen zu sehen. Tja, mein lieber Hermann Beckfeld, wenn man schon so lange auf Presse- und VIP-Tribünen sitzt, dann weiß man nicht, dass die Fanblöcke schon gefüllt sind, wenn die Torhüter ca. 40 Minuten vor Anpfiff den Rasen betreten.
Der Brief ist eine einzige peinliche Anbiederung an Manuel Neuer – vom beruflichen Aufsteiger quasi zum sportlichen Emporkömmling. Da ist man schon gerne mal auf einer Wellenlänge.

Königsklasse
Aber wenn Neuer immer noch ein Schalker ist, warum ist er dann nicht dort geblieben? Vielleicht, ganz zaghaft angemerkt, spielt doch das liebe Geld eine Rolle. Champions League kann er doch auch mit Königsblau spielen und wenn er dann mal Meister werden würde (ein ganz starker Dortmunder Konjunktiv), dann würde es eine epochale Feier geben und nicht so einen müden Ringelpiez wie in München. Ein großartiger Schlussmann war unser Herzens-Knappe auch schon auf Schalke. Manche Experten meinen zwar, er habe sich beim FCB weiter verbessert, doch diese schreien ja auch bei jeder halbwegs passablen Parade sofort Weltklasse.
Und dann noch das Argument mit dem Weltmeister, auf die wir doch so stolz sein können. Meine Güte, Vereinsfußball ist etwas anderes als die Nationalmannschaft. Meine zweite Reaktion nach dem 2:1 durch Mario G. im WM-Finale war „Ausgerechnet der Götze“.
Wenn Götze und Neuer mit der Nationalmannschaft nach Dortmund und Gelsenkirchen kommen, muss man natürlich nicht pfeifen. Ist ja Nationalmannschaft…



Mittwoch, 10. September 2014
Ivanhowe wie einst Lando
Das Schöne, aber auch Schreckliche am Pferderennen? Man weiß nie, wie es ausgeht. So schlug der hochbegabte, aber unbeständige Ivanhowe den ebenso hochbegabten, aber beständigen Sea The Moon im Großen Preis von Baden – und damit hatte kaum einer gerechnet.

Wenn ich das Rennen wie früher oft beim Buchmacher gesehen hätte, dann wäre es nach diesem Resultat erst einmal einen kleinen Moment ganz ruhig gewesen. Dann wäre irgendeiner gekommen und hätte gesagt „Ich habe es doch gewusst“. Vielleicht hätte er auch noch den Sieger gewettet und würde jetzt den Schein schwenken. Aber die meisten hätten geschwiegen – ein Schockresultat.
Es gibt keine Unverlierbaren im Rennsport und an diesem Sonntag in Iffezheim war der Schlenderhaner das eindeutig bessere Pferd. Ivanhowe zeigte sein herausragendes Potenzial und siegte leicht gegen den Favoriten Sea the Moon. „Das ist das beste Pferd, das ich bisher geritten habe“, sagte Jockey Filip Minarik nach dem überzeugenden Drei-Längen-Sieg von Ivanhowe und nannte ihn ein „Ausnahmepferd“. „Es ist ein Klassepferd“, erklärte Trainer Jean-Pierre Carvalho, „aber ich wusste nicht so genau, wo wir stehen. Eigentlich dachte ich, dass wir noch zwei, drei Wochen Zeit benötigen.“
Zu erwarten war dieser Erfolg nicht unbedingt. Zum einen war Ivanhowe laut Trainer ja gar nicht bei 100 Prozent, zum anderem war die Stallform der Schlenderhan-/Ullmann-Pferde während der Großen Woche durchgehend schlecht. Am Freitag enttäuschte der hochgehandelte Ito etwa als 18:10-Favorit in einem allerdings stark besetzten Ausgleich 1. Und auch ansonsten war das konstanteste an den Schlenderhaner Startern in den letzten zwei Jahren die fehlende Konstanz.
Ivanhowe ist das beste Beispiel: Der tollen Leistung im Gerling-Preis folgte der Flop in Chantilly, nach dem Union-Triumph im letzten Jahr kam der Einbruch im Derby. Nach einer Pause lief Ivanhowe aber immer gute Rennen.
Doch auf dem Wettschein hatte ich den Schlenderhaner nicht. Irgendwie erinnern mich solche Überraschungen immer an den Derby-Sieg 1993 von Lando. Der war zweijährig der Winterfavorit und das Top-Pferd des Jahrgangs, enttäuschte aber dreijährig. Doch im Derby platzte dann wieder der Knoten – nur die meisten Wetter hatten ihn vergessen.

Auch nicht 100 Prozent
Und Sea The Moon? Nach dem Großen Preis kursierten im Netz mal wieder die Gerüchte, einer hatte ihn sogar lahm aus dem Rennen kommen sehen. Dass der Hengst nicht bei 100 Prozent war, hatte Trainer Markus Klug schon vorher erklärt.
Angesichts dieser Tatsache ist der Görlsdorfer gar nicht so schlecht gelaufen. Auffällig war aber schon die tiefe Kopfhaltung (das mögen die absoluten Pferde-Experten interpretieren), zudem konnte STM diesmal auf den letzten Metern nicht mehr zulegen.
Manche Beobachter sagen jetzt, dass Sea The Moon doch überbewertet sei, zumal er im Hamburger nur Durchschnitt besiegt habe. Das ist völliger Humbug, auch wenn Lucky Lion, der Zweite aus Hamburg und ganz klar die Nummer 2 des Jahrgangs, diesmal chancenlos war und eigentlich aus der Startmaschine geschlagen war. Aber Sea The Moon war im Derby so überlegen und hätte noch überlegender gewonnen, denn Christophe Soumillion ließ ihn regelrecht austrudeln, weil das Rennen entschieden war. Diese Form war die beste, die ich in 30 Jahren Derby gesehen habe.
Ivanhowe und STM werden wahrscheinlich im Arc aufeinander treffen, für den Görlsdorfer ist endlich eine realistische Quote erhältlich. Beide werden sich in diesem Monstererennen noch mal steigern müssen, aber so schlecht sehe ich ihre Chancen nicht. Zumal auch die europäische Konkurrenz ihre Dämpfer erhalten hat und beim japanischen Top-Starter Just A Way zwar mächtig viele Einsen stehen, die Distanz von 2400 Metern aber ein großes Fragezeichen ist.