Mittwoch, 26. November 2014
Von der Schwierigkeit der Jockey-Kritik
Nach dem Rennen kennen manche Wetter oft nur einen Schuldigen, wenn sein Tipp nicht erfolgreich war. Der Jockey hat es vermasselt, weil er das Pferd zu früh, zu spät eingesetzt hat oder…. Doch meist beruhigt sich danach schnell die Lage. Denn meistens konnte der Reiter nichts für das Scheitern. Einen Jockey zu kritisieren ist ein schwieriges Unterfangen. Dennoch nervt vielfach die Dünnhäutigkeit, mit der viele Aktive im Turf auf Kritik reagieren.

Es hätte sein Wochenende sein können: Der englische Hindernisjockey Sam Twiston-Davies hatte Mitte November beim Open-Meeting in Cheltenham einen großartigen Samstag: Erst ein schöner Treffer mit Sam Winner im Murphy Group Handicap und dann der Triumph mit Caid Du Berlais im Paddy Power Gold Cup Chase, dem wichtigsten Rennen der Karte.
In beiden Fällen zeigte der Jockey Klasse-Ritte: Zuerst auf dem etwas behäbigen Sam Winner, den er immer wieder aufmuntern musste und der in keiner Rennphase wie der Sieger aussah. Doch Twiston-Davies hielt ihn bei Laune: Zum Schluss bewies der Wallach sein überragendes Stehvermögen und stürmte eindrucksvoll an dem gut gehenden The Druids Nephew vorbei. „Ein feiner Ritt“, lobte dann auch sein Trainer Paul Nicholls.
Komplimente kassierte Twiston-Davies auch für seinen Siegritt auf Caid Du Berlais. Diesmal kam er mit dem noch etwas unerfahrenen Nicholls-Schützling ganz zum Schluss und überlief noch den gut gehenden John’s Spirit (den Tipp dieser Kolumne). Es war ein präzise abgestimmter Ritt von Twiston-Davies gegen erfahrene Handicapper der besten Klasse.
Doch einen Tag später schrien viele User in diversen Internet-Foren Foul. Weil Twiston-Davies angeblich den Ritt auf Vibrato Valtat im Racing Post Arkle Trophy Trial Novices Chase verknallte und zu spät gegen den Sieger Dunraven Storm kam. Dafür kassierte der Jockey heftige Kritik – auch von seinem Patron Paul Nicholls.

Ein Rätsel namens Pferd
Berufs-Rennreiter liegen in der Wertung oft zwischen Himmel und Hölle. Doch wie hoch ist der Anteil des Jockeys am Erfolg im Rennen? Schwer zu sagen. Da ist der vierbeinige Partner, das Pferd. Ist es gut drauf, mag es die Strecke, den Boden? Ist es gesund, hat es gut gefressen? Hat es überhaupt das Vermögen zu gewinnen? Das Pferd hat immer noch den Hauptanteil, der Jockey kann nur unterstützen.
Dann ist da der Rennverlauf: Rennreiten ist wie jeder Sport eine Sache von Sekunden-Entscheidungen. Finde ich die Lücke im Feld, wähle ich das richtige Tempo? Manchmal sind manche Flachrennen einfach nur Glück, weil die richtige Lücke sich zum rechten Zeitpunkt öffnete. Bei Hindernisrennen ist das etwas einfacher, weil sich über die längeren Strecken und die Hindernisse die Spreu vom Weizen trennt. Dafür kann man da viel eher stürzen.
Wie gesagt, viele Faktoren spielen eine Rolle. Generell wird in anderen Sportarten wie etwa Fußball viel mehr kritisiert. Die Turf-Fachpresse etwa bemängelt nur in ganz eindeutigen Fällen Ritte – sowohl die deutsche Sport-Welt als auch die englische Rennsport-Blätter halten sich zurück. Man sitzt im selben Boot, man möchte es sich nicht mit Jockeys und Trainern in der kleinen Branche verderben.

Dünnhäutig
Gerade die Aktiven im Galopprennsport reagieren zudem bei Kritik immer mit dem gleichen Argument: „Du kannst das nicht beurteilen, du hast doch nie auf einem Pferd gesessen.“ Letzteres ist richtig, aber dennoch nervt diese Argumentation. Wenn der Tadel unberechtigt ist, dann sollte der Aktive seine Sicht der Dinge schildern. Gerade die sozialen Medien wie Facebook eignen sich dazu. Manchen Großmäulern im Netz kann man so schnell den Zahn ziehen.
Nun ist das nicht so, dass in dieser Kolumne permanent Jockeys für ihre Ritte in den Senkel gestellt werden. Ich gebe zu, dass ich manchmal direkt nach dem Rennen Fürchterliches sage, wenn der Reiter meines gewetteten Pferdes Mist gemacht hat. Doch spätestens nach der Wiederholung des Rennens legt sich oft die Aufregung: Die Gründe? Siehe oben im Text…